Während der kulturellen Darbietung im Montgomery mußte ich austreten gehen und ging neben die Panke an einen dunklen Stein. Auf dem Stein lagen zwei dicke Geldbörsen, die ich an mich nahm, zurückging und dann eigentlich gleich heim. Eigentlich zum After The Butcher, aber dann hieß es, der Stefan Müller fiele aus und damit wahrscheinlich das Konzert der Fendercats mit, weil die ja nur zu dritt sind, reine Mutmaßung, außerdem so unheimlich weit weg, fast Lichtenberg, ja? und eigentlich war ich nicht gesellig, ich verstell mich nur, sowieso, ich verstell mich ja vor mir selbst auch. Wir sind viele. Ich bin ein Medium meiner selbst.
Die Frage ist ja nicht, ob, sondern wie.
Es muß mit den Begrüßungs- und Verabschiedungsorgien irgendwas passieren, diese Bäckchenhinhalterei stundenlang, das ist nicht die beste Lösung, auch textlich oft nicht gut gelöst. Ich kann es ja auch nicht. Wir kennen uns von, ach ja, genau. Vielleicht von weitem winken. Hand geben, kurze Verbeugung, Kopf gleich untenlassen, seitlich wegdrehen und abhauen. Viele Leute begrüßen sich so, als hätten sie ihre seit Jahren totgeglaubten Schwestern wiedergefunden, dabei haben sie sich ca. vorgestern zuletzt gesehen und dazwischen bereits 4, 5 mal sinnlos aufeinander eintelefoniert.
Die Geldbörsen waren dick befüllt mit Millionen Fahrausweisen, Kundenkarten, Bankkarten, sonstigen Mitgliedschaften, zurechtgeschnittenen Fotos von verschiedenen Säuglingen und Männern, natürlich ohne Geld. Die beiden Mädchen waren Jahrgang 1992 und 1993 und hatten sich, besonders die eine, innerhalb eines Jahres aussehenstechnisch vom Kind zum Nüttchen entwickelt. Unwahrscheinliche Wandlung, Unterschied des Bildes Fahrausweis 2008 und Fahrausweis 2009. Ich wollte sie sofort anrufen, plötzlich dachte ich, nach 11 ist vielleicht bißchen spät die anzurufen, machst du morgen früh.
Am nächsten Morgen habe ich überlegt, was wohl mehr bringt und schöner ist: zur Polizei gehen, oder diese Mädchen kontaktieren. Das intensive Studium des Geldbörseninhalts hatte mich traurig gemacht; ich wollte die plötzlich nicht treffen, die Inhaberinnen der Sheepworld Happy Digits Orsay Mister Lady Meine suesse Mausi, ich hab dich ganz doll lieb-Karten der ausgeraubten ausrasierten Geldkatzenmuschi. Ich wollte lieber zu den Polizisten auf die Wachen, ordentliche Meldung machen.

Der Polizist führte mich in ein kleines Zimmer hinein. Er war sehr stramm, aber auch dumm und im Ganzen nicht so doll. Geldbörsen waren am Tag des Auffundes um 11 Uhr 40 gestohlen gemeldet worden und daher Diebesgut. Schau an. Hatte der gedacht, ich wollte sie ihm nur zeigen und dann wieder mitnehmen? Schlechte Laune auf der Wache, wie im Fernsehen, daher bißchen enttäuschend, erwartbar: notorisch unterbesetzt, notorisches Rumnölen, starres Beharren auf dem Recht auf schlechte Laune, was soll ich denn noch alles, abgenutztes Mobiliar, Drucker kaputt, typisch, usw. – Hätt ich vielleicht doch besser die Mädchen genommen? Weiß man nicht, weiß man nicht.
Na gut, Mausi, Süße, du verstehst mich. Als einzige.
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Übers Fernsehen kann man überhaupt mit keinem mehr reden, weil keiner Fernsehen sieht, weil ja alles eh nur furchtbar und verkommen ist, was da kommt. Deswegen kucken sie lieber ihre hochwertigen DVDs mit intelligenten amerikanischen Serien und finden sich speziell. Das stimmt ja auch, mit der Verkommenheit, es geht aber nicht darum, wie man es persönlich findet, sondern vor allem wie man es bezogen auf etwas, was man nicht selber ist, findet. Was es ist, bzw. zu sein scheint, wie es gemacht ist, was es für Effekte zeitigt, warum warum, (warum z.B. immer noch der gräßliche Opdenhövel?), immer nur, immer nur, Eisenhans Eisenhans.
Künstler und Dichter die nicht (ungefähr wenigstens) wissen, was im Fernsehen kommt und in der Zeitung steht, sind nicht orientiert und daher nicht für voll zu nehmen.
Natürlich kucken die meisten längst kein Fernsehen mehr, aber die meisten eben doch.