Neulich in Spandau

Es darf wirklich nicht wahr sein, aber ich habe den ganzen Tag nichts gemacht, außer an einem lächerlichen Eintrag rumzuschnitzen, rumgeochst, der immer blöder und uninteressanter wurde, gleichzeitig weinerlicher, dann auch noch ehrgeizig und schließlich habe ich aufgegeben. Jetzt Kopf- Zahn- und Ohrenschmerzen vor Wut und Ungenügen. Zur Strafe will ich ihn einstellen. Die Zeiten, wo Schwächeeingeständnisse erlösend wirkten, sind leider irgendwie vorbei. Alles wirkt nur kurz, dann muß einem wieder was einfallen, was man aber wirklich ernst nehmen     müssen     kann. Das ist das Schwierige. Dann dachte ich z.B. an Rudolf Heß und an die Zeit, als er ab und zu in den Nachrichten vorkam, oder die DDR ganz normal, KFC – gefangen in der BRD, als alles vollkommen anders als jetzt war, aber schwer zu sagen, wie, gegenüber Jüngeren, die gerne eine anschauliche Beschreibung hätten, als man selbst noch ganz jung war, z.B. irgendein Gesuch auf vorzeitige Freilassung des Heß erneut von den Russen abgelehnt worden war, das kam relativ oft im Fernsehen, eigentlich täglich, oder gemeldet wurde, daß er wieder krank sei und vielleicht jeden Moment stirbt, dann sich aber stets erholte und man sich wunderte, daß das wehleidige, unheimliche und schrecklich aussehende Gespenst so ein Vorbild für die nachgewachsenen Nazis abgab und anscheinend immer noch. Den fand doch eigentlich keiner gut. Vollkommen entfallen war mir aber z.B., daß er sich zum Schluß im August 1987 ja auch noch umgebracht hat, 93jährig, aufgehängt mit einem Verlängerungskabel. Die Familie bzw. Verschwörungsorganisationen warten auf die Freigabe der britischen Heßakten im Jahre 2017 und hofft zu beweisen, daß Heß vom britischen Geheimdienst ermordet worden ist.

Die Spandauer Tagebücher von Speer wg. FSK gelesen, mehrmals und gerne, auf die Idee wäre man wahrscheinlich von alleine auch nicht gekommen. Viele der in Lesezirkelmelodie vorkommenden Prominenten sind schon tot. So viele auch nicht? Ich habe den Text nur im Kopf und nicht vollständig.
Joseph Beuys (mit Studenten diskutiert), Josef Neckermann (vorbeigaloppiert), Rex Gildo (sein Zimmer möbliert), der Bhagwan (sein Rheuma auskuriert), Rudolf Heß (in seiner Zelle musiziert)   —

Romy Haag, Andre Heller, Nina Hagen leben wahrscheinlich noch.

„Heß blieb [innerhalb der Gruppe der Spandauer Gefangenen] ein Außenseiter, da seine Persönlichkeit unsoziale Züge trug und er erkennbar geistig instabil war. Er mied außerdem im Gefängnis jede Art von Arbeit, wodurch er bei seinen Mitgefangenen Unmut erregte. (…) glaubte fortwährend, dass man ihn vergiften wolle (…). Er schrie und stöhnte oft Tag und Nacht wegen Schmerzen, deren Echtheit aber sowohl von seinen Mitgefangenen als auch von der Gefängnisleitung angezweifelt wurden (…).“

2:03
jetzt war ich wenigstens noch an der Post. Es kam noch ein junger Mann, der auch Marken ziehen wollte und etwas abseits wartete, der so hübsch war, daß ich ihn nur einmal kurz ankuckte und dann nicht mehr. (Damit er nicht denkt ich sei irgendeine zudringliche Alte die nachts raus muß, restless legs und so. Restless mind.) Ich hatte irgendwie bei der Eingabe des Wunschwertes einen Fehler gemacht, überbezahlt und bekam lauter Marken zu 10 und 5 Cent und hatte im Grunde keine Spucke im Mund, um sie richtig! naß zu machen! und aufzukleben!
Immer mußte ich erst umständlich sammeln, bis es reichte, daß ich fast selbst vor mir dachte, ich machte es extra. (um Mitleid zu schinden?)

Vor der Trinkhalle saßen zwei Buben, höchstens 15 und besoffen und ein älterer ganz Besoffener. Die Jungens sagten, der wäre besoffen und ich sollte mich nicht von dem anquatschen lassen und duzten mich dabei. Als ich wieder rauskam, waren sie aufgestanden und siezten mich. Als ich letztens in der Volksbank auf der Friedrichstraße Geld holte waren da auch zwei Jungens, die aussahen wie Realschüler und so, als würde sie niemand irgendwo vermissen, praktisch durchsichtig, die waren mit zwei jungen Frauen da, die typische Prostituiertenmode trugen, weiße glänzende Kunstlacklederstiefel bis oben hin zum schnüren, stählern glänzende Strumpfhosen usw., sie warteten und die Jungen zogen Geld und der eine sagte, er habe leider lauter 5 Euro Scheine vom Automaten erhalten und die junge Frau, kaum älter als er, redete mit ihm so als wenn sie wirklich ein bißchen befreundet wären und eigentlich alles ganz normal, normale Situation. Das sei okay, Fünfer könnten sie immer gut brauchen.

8 Reaktionen zu “Neulich in Spandau”

  1. admin

    Mein Vetter feierte seine Hochzeit im Dorfhaus Hunstig. Ich bin da oder nebenan im Feuerwehrheim mit der Freundin aus Bünghausen zum Tischtennisspielen gewesen 1979/1980, zu Musik. Meine Mutter hatte mir eine schwarze Feincordhose nach meinen Vorstellungen genäht und ich war total froh.

  2. admin

    limbus nie vorher gehört #Inception

    jetzt, ewig nicht gehört: S.Y.P.H., eher gutes Lied mit eher schlechtem Titel Traumraum. #träume jeden Tag und Nacht, bin hier immerzu bewacht#jetzt muß ich raus aus dem Elternhaus#Unser Zimmer#In einem Moment

    [Wieleicht, eine komische Platte aus einer komischen Zwischenzeit, 1985. Viel gehört und ambivalent (?) gegenüber dem Kitsch. Die trauen sich was, das ist gut, sind aber vielleicht im Grunde Hippies, sentimental, das war irgendwie der Verdacht. – Also, ne? Man wußte nicht ganz, ob sie selbst wußten, daß sie sich was trauten und wenn nicht, dann war es ja – praktisch hinfällig.] #Generalproblem. #Solingen #Art Brut

  3. admin

    #meine Frau

  4. Tom Hardy

    Mir war sofort klar: am liebsten wäre ich mit Dir in Inception gegangen. Dass alle im Film die Vorstellung, im Limbus dahindarben zu müssen, so schrecklich fanden, konnte ich auch nicht richtig verstehen, wie so einiges andere auch. Eigentlich leben doch alle in einer Art Limbus. Überhaupt oft das Gefühl wie bei Fernsehwerbungen gehabt: Ich gette den Point nicht richtig. Oder ich bin zu alt zum Point und Satisfaction getten. Fand den Film aber trotzdem irgendwie prima, wie Detlef Kuhlbrodt schreiben würde.

  5. admin

    Tom Hardy! Ich habe immer so Angst vor Filmen, aktuellen amerikanischen besonders, weil mich potentiell alles nervt, gehe kaum ins Kino, habe keine Ahnung usw., verstehe was ich kann und bei dem Film hier, der sowieso als kompliziert und nicht besonders kapierbar gilt (was er ja eigentlich doch nicht ist, kompliziert) fühlte ich mich von so Anfordernissen irgendwie prima entlastet und in den langweiligen Actionsequenzen wegen ihrer Langweiligkeit und Hergebrachtheit sogar aufgehoben. Das Casting hat nicht weiter gestört, was auch schon selten ist, nur den alten Japaner am Anfang und am Ende, den haben sie schlecht hingekriegt.

    Wir müssen unbedingt bald mal zusammen in Kino gehen, ich komme aber in nächster Zeit nicht in deine Stadt, aber du vielleicht in diese?

    (was mit  Limbus im Film gemeint ist, klang mir nicht so einladend, wie in der Theologie verwendet (soll ja wohl auch abgeschafft werden wg. Rechtfertigungsschwierigkeiten). Limbus stelle ich mir vor: wie man sich manchmal im Traum so klar, als wäre man bereits wach, wünscht aufzuwachen und schafft es nicht, man muß weiter und weiter in Zeitlupe bis zur Brust durch den Madenmorast ziehen, nackt bis auf die bleiernen Knobelbecher.)

  6. admin

    als jemand der keine Ahnung hat von Film und Filmgeschäft, wage ich einmal folgende Thesis: ich glaube der Film ist so erfolgreich weil gesagt wird, daß er neuartig, verunsichernd und kompliziert ist. Dann geht man rein und genießt die (etwas schale) Beruhigung darüber, daß es nichts in diesem als neuartig und kompliziert ausgewiesenen Film gibt, was wirklich beunruhigen müßte. Der Zuschauer denkt: aha, das aktuell als neuartig und kompliziert Ausgewiesene ist mir gar kein Neuartiges und Kompliziertes und schreckt mich nicht. Im Gegenteil: kann mehr als mithalten, hatte gedacht „Sie“ wären schon weiter. Der Film ist ja gar nicht richtig gut. Das alles sagt mir doch: Ich bin gesund, auf der Höhe der Zeit und den Anfordernissen der Zukunft durchaus gewachsen.

    Und – Achtung – schon haben „Sie“ einen, wo sie einen hinhaben wollen!!!

  7. Tom Hardy

    Meine größte Angst vor Inception war die, er/sie/es könnte Matrix ähneln. Ein Film, den ich noch nie gesehen habe, schon immer besonders hasste und für die Verdumpfung der heute Anfang Dreißigjährigen verantwortlich mache. Überhaupt Science-Fiction-Filme oder wie man das heute nennt: das einfältigste Filmgenre, meiner einfältigen Meinung nach. Aber C. Nolan hat sich das alles sehr schön ausgedacht und niedergeschrieben und verdichtet und vercastet. Ich habe mich als alter Mann in alle Hauptdarsteller verliebt und sie für ihre fiktiven Filmberufe bewundert.

    Dieses Jahr war ich noch nicht einmal in deiner Stadt, vielleicht aber Ende dieses Monats, weil ich das sogenannte Saturn-Bahnticket noch „abfahren“ muss. Dann melde ich mich und wir gehen ins Kino oder beeinflussen direkt die Architektur unserer Träume. Die bleiernen Knobelbecher im Madenmorast sind schon ein ganz gutes Setting. Die Filmszene, in der Watanabe auf dem Teppich liegt, darin rumfummelt und dann sagt: das ist ja Kunstfaser und keine Wolle, isch glaub isch träume. das fand ich schon ziemlich wahnsinnig und gut.

  8. admin

    Ja, super, melde dich. Mein Saturnticket ist leider schon abgefahren. Ich wollte erst 2 kaufen, aber dabei wurde ich unruhig, sind ja gleich 4 Fahrten, weiß man nicht, ob man die problemlos abgefahren kriegt, zur Not muß man sie sinnlos abfahren, sinnlos herunterfahren, da nicht übertragbar, irgendwie blöde Regelung. Ich warte schon Tag und Nacht auf Hinweise, wann es wieder Lidl-Tickets gibt. (ich würde am liebsten schreiben: giebt)

    Bald mehr zu Science-Fiction. Science-Fiction geht doch noch, richtig quälen tun mich Liebesfilme.

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