Die eigene Kaputtheit ist nicht das Maß aller Dinge

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oh is it really so strange?

I got confused – I killed a horse

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HOW SOON IS NOW 0:16 The rise and fall of the Smiths / The South Bank Show on YouTube BBC

SPEND SPEND SPEND
by Viv Nicholson

Ob jetzt da jetzt der stumpfe Waldschrat oder das sensible Feinsliebchen irgendwo sitzt und „schöne“ Kunst macht, – da können ja durchaus Ergebnisse rauskommen, anschauliche, für was anderes anschaulich freilich — , das ist und bliebe ja völlig belanglos, für die Kunst ist das ja völlig uninteressant.
So tönte ich heute fort und fort. Wer nicht orientiert ist, der kann machen was er will, seine Ergebnisse sind bestenfalls — RÜHREND.

So war ich heut ein rechter Großkotz gewesen und strich mir die Wampe glatt.

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Der Alte Kommissar

Ein Erl�ser braucht den Revolver nicht

Erik Odes Nachlass im Berliner Museum f�r Film und Fernsehen ist �berschaubar. Er kam in zwei Schachteln, per Post. Darin Fotos und Dokumente, die von einer Theaterkarriere k�nden, eine Goldene Kamera von 1981, ein Fernsehpreis von 1973, ein alter Berliner Schupo-Helm, ein paar Handschellen mit dem eingravierten Hinweis �M�rderparty, 13.9.69� und ein antiker Revolver, der f�r seinen eigentlichen Zwecke schon lange nicht mehr taugte. �F�r den Chef zum 50.� hat jemand mit rotem Stift draufgemalt. Welch ein passendes Geschenk. Die verrostete Kanone gab es nicht zum f�nfzigsten Geburtstag, sondern zur f�nfzigsten Folge. Und wer der �Chef� war, das wusste damals in Deutschland jeder: Erik Ode war der �Chef�, er war der �Kommissar�, dessen Nachnamen manche kannten � er hie� Keller �, der einen Vornamen aber nicht brauchte, so dass dieser nicht einmal dem Darsteller selbst gel�ufig war (nach historischen Quellen lautet der vollst�ndige Rollenname Herbert Keller). In siebenundneunzig Folgen trat er zwischen 1969 und 1976 f�r das ZDF auf, was fernsehserienhistorisch gesehen nicht einmal �bertrieben lang war. Au�ergew�hnlich hoch aber waren die Einschaltquoten von bis zu siebzig Prozent � bis zu drei�ig Millionen Menschen schauten zu. Das war auch in einer Zeit, in der es das Privatfernsehen noch nicht gab, sehr viel mehr als beachtlich. Die ARD suchte mit ihrem �Tatort� noch jene Kontinuit�t, die das ZDF eben mit dem �Kommissar� und sp�ter mit �Derrick� schon gefunden hatte. Als �L�nderspiegel mit Leichen� findet man den �Tatort� in jener Zeit tituliert, gegen den �Alten�, also Erik Odes Kommissar, war damals kein Kraut gewachsen. Dabei fehlte dieser Serie, was einen Krimi gemeinhin ausmacht. Die Spannung hielt sich sehr in Grenzen, die H�rten der Polizeiarbeit wurden so gut wie ganz ausgeblendet. Die Drehb�cher von Herbert Reinecker stellten vielmehr auf ausgestellte, k�nstliche Dialoge ab, die Darsteller spielten wenig und sprachen viel in gestanzten S�tzen, die von den moralischen Anfechtungen des Menschen an sich handelten. Am Ende einer jeden Folge war das Verbrechen nicht nur aufgekl�rt worden � das verstand sich von selbst �, sondern die Dinge hatten auch wieder ihre Ordnung, die Welt war im Lot, und als ihr Erl�ser erschien ebenjener Kommissar ohne Namen, den stets eine eigent�mliche Ruhe umgab. Wenn er auftauchte, so schien es, wurde es windstill, h�rten die Spatzen auf zu krakeelen und verstummten auch die Menschen � vor seinem Blick, der ausdr�ckte, dass dieser Mann schon alles gesehen hatte, was Menschen anrichten k�nnen. Was das sein mochte, das gab es in diesem Krimi nie zu sehen, daf�r aber T�ter, die es danach dr�ngte, diesem Kommissar zu beichten, die es dr�ngte, ihre Tat nicht nur zu gestehen, sondern auch die Einsicht in ihr frevelhaftes Tun zu bekunden. Das Erl�serhafte dieser Figur ist in den Drehb�chern von Herbert Reinecker angelegt gewesen. Und nicht ohne Grund haben nachgeborene Kritiker im �Kommissar� auch einen telegenen Bew�ltiger der nationalsozialistischen Vergangenheit gesehen � hat doch das ewige Kreisen um Schuld und S�hne, das mit einem unheimlichen Verst�ndnis f�r die T�ter, f�r diese vermeintlich schuldlos Schuldigen, einhergeht, etwas Verschwiemeltes und Stellvertreterhaftes. Es sollte Reineckers B�cher bis in die �Derrick�-�ra in den achtziger Jahre hinein kennzeichnen. Als junger Mann hatte dieser Herbert Reinecker noch bis in die letzten Stunden der nationalsozialistischen Herrschaft flammende Durchhalteartikel geschrieben. Dem Schauspieler Erik Ode hingegen war die Figur des Erl�sers nicht fremd, auch wenn er sie sich nicht ausgesucht hat. 1923 spielte er im Alter von zw�lf Jahren an der Seite von Henny Porten und Asta Nielsen in einem Film den jungen Jesus. Der Film hie� nach der Kreuzesaufschrift des Pontius Pilatus �INRI� � Jesus Nazarenus Rex Iudaeorum. Geboren war Ode am 6. November 1910 in Berlin unter dem Namen Fritz Erik Signy Odemar. Seine Mutter, Erika Nickau, ging dem Schauspielberuf nach, sein Vater, Fritz Odemar, ebenso. Ihr Sohn wollte eigentlich Kameramann werden und Regie f�hren, doch fehlte es ihm f�r die Ausbildung an Geld. Ans Theater hingegen wurde er gerufen. In den drei�iger Jahren und auch nach dem Zweiten Weltkrieg spielte er vor allem in Berlin und in M�nchen, zudem soll er in f�nfundachtzig Filmen aufgetreten sein. Bevor er Ende der sechziger Jahre schlie�lich zum �Kommissar� wurde, hatte Ode doch ins Regiefach gefunden. 1948 ging er als Oberspielleiter zum Rias, in den f�nfziger Jahren inszenierte er typische Wirtschaftswunderfilme, an die man sich heute nicht mehr erinnert: �Skandal in der Botschaft� 1950, �Der Kampf der Tertia� 1952, �Der erste Kuߓ 1954 und �Was eine Frau im Fr�hling tr�umt� 1958, um nur einige von mehr als zwei Dutzend zu nennen. Dann kam der �Kommissar� mit der unverw�stlichen Sekret�rin namens Rehbein und den drei netten, adretten Assistenten � einen davon spielte der sp�tere �Derrick�-Hiwi Fritz Wepper, der erst in unseren Tagen Serien auf den eigenen Leib geschnitten bekommt und zeigen darf, dass er mehr kann als einen Kaffee oder den Wagen holen. Erik Ode wiederum haderte offenbar mit seiner Lebensrolle, wie man einem der raren gr��eren Gespr�che entnehmen kann, die Journalisten seinerzeit mit ihm f�hrten. Bei einem Treffen im Bayerischen Hof in M�nchen notierte der Autor Ben Witter jede noch so kleine Regung Odes, der wohl auch privat gern als der gro�e Regungslose erschienen w�re, bis aus ihm herausbrach, dass er sich seinen Kommissar durchaus lebhafter und humorvoller vorstellen k�nne. Er habe mit dem Autor Reinecker darum gek�mpft, erz�hlte Ode im Juli 1975, als das Ende des �Kommissars� schon absehbar war, vor allem um eine Art von �souver�nem Humor�, den man ihm aber nicht zugestehen wollte. Stattdessen hatte man erkannt, dass Ode, der als Synchronsprecher Fred Astaire die Stimme lieh, ein guter Zuh�rer war. Also musste sein Kommisar vor allem bedeutungsvoll zuh�ren. Und filterlos Kette rauchen, so wie der Schauspieler selbst, der sich, so Witter, erst einmal hinsetzte, eine Zigarette nahm, sie dreimal auf das P�ckchen klopfte, weil das den Tabak festige, einen Zug nahm und dann erst zu sprechen begann. Die Rolle des �bervaters aber behagte ihm nicht. Nach dem �Kommissar�, bei dessen Antritt man ihn im Alter von achtundf�nfzig Jahren beim ZDF schon f�r zu alt (und zu schm�chtig) hielt, wollte Ode noch einmal auf dem Theater loslegen und Regie f�hren. Und so geschah es. Bei einem Gastspiel in M�nchen 1982 brach er auf der B�hne zusammen, er starb am 19. Juli 1983 in seinem Haus am Tegernsee. Seine Frau, die Schauspielerin Hilde Volk, mit der Ode seit 1942 verheiratet war, �bergab nach seinem Tode seinen Nachlass an das Fernsehmuseum. �Dunkle Angst�, hie� es seinerzeit in dieser Zeitung, habe die Serie �Der Kommissar� gen�hrt � und �in der Gestalt des ,Kommissars�, der weniger Sp�rhund als Beichtvater war, zugleich wohlfeilen Trost� gew�hrt: �Die Dramaturgie des Gesichts. Traurige Augen, Einkerbungen, die von der Last des Lebens zeugen, in diesem Gesicht schien das Leid der Menschheit aufgehoben.� Einen funktionierenden Revolver � das hatten alle in seinem Team wie auch die Millionen von Zuschauern erkannt � brauchte dieser Mann wahrlich nicht.
– Michael Hanfeld

Die bisherigen Folgen der Serie finden unsere Leser im Internet unter www.faz.net/fundstuecke. Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 18.07.2008 Seite 40

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