Hallo Dragan
Die Sache mit den Kölnern schon wieder, welche Kölner meinst Du?
Die von heute, die von vor 10 Jahren? Ich hatte gleich angefangen über „Programmatik“ (oder „Wollen“), so wie ich das seh, der einzelnen zu reden, namentlich, aber dann dachte ich plötzlich, daß das möglicherweise zu weit geht, wir kennen uns ja kaum, und ich auch merkte, wie mein eigener Zorn teils nicht unbeträchtlich ist und da reinfließt, — was möglicherweise unterhaltsam für dich wäre.
Also welche Kölner, wenn man so tut, als sei das eine Schule. Es kann aber doch kaum extremere Pole geben als z.B. Koether und Krebber. Oder die Spex-Leute (als Spex noch nicht Piranha-Media war, ich weiß nicht wie lange das her ist, als sich die Gesellschafter rausgezogen haben, nach Dietmar Dath war das glaub ich – keine Ahnung, ich les das nicht, ich bin aber damit aufgewachsen. Ich hab mir immer Probeabos und dann Abos aufs Land bestellt von 13, 14 Jahren an, nicht viel verstanden, außer vielleicht Clara Drechsler geliebt, und irgendwas versteht man ja immer), jedenfalls! waren die normalen Spex-Leute ja auch welche, die sich über Kunst eher lustig gemacht haben. Ohne Diederichsen hätte Koether nicht jahrelang Mrs. Benway existieren lassen und durchziehen können, das glaube ich jedenfalls, und für wie daneben, egozentrisch, eitel usw. man auch Mrs. Benway halten kann — natürlich hat sie sich gemeint, aber eben auch sich als das komische, suspekte Ich und damit auch andere komische, bewußt oder unbewußt offen experimentell angelegte usw. Iche angesprochen, befähigt, bestärkt, zur Existenz ermutigt. Das krude, abseitige, unverständliche Zeug ist möglich gemacht worden, zugänglich gemacht worden und heute gibt es das überhaupt nicht mehr.
— Verstehst Du das? den Unterschied?
Heute, bzw. jetzt auch schon seit einigen Jahren, gibt es Mode und diese Modestrecken-Pestilenz überall, alles ist Look. Zum Look verkommen, Vorteil: auch die Doofen können mitmachen wenn sie einigermaßen aussehen, Glamour schon das Unwort 2001 oder so. Aus dem Wörterbuch des Untermenschen. vorauseilender Gehorsam, Hintern an die Wand kriegen, andienen, Beflissenheit usw.-
Die Sache mit dem Scheitern, oder sogar „verehrungswürdigem Scheitern“ ist mir zum ersten Mal bei Oehlen aufgefallen, glaube ich, das ist ganz lange her. Oder auch bei Diederichsen. Ich weiß sowieso nicht (mehr) genau, was es eigentlich heißt. Scheitert nicht mit dem Tod sowieso jedes Leben, egal wie „richtig“, eigentlich? Muß ich doch mal dumm fragen. Und doch denkt man, man könnte eine Art Insgesamtgelungenheit anstreben, also ich Trottel strebe das wohl an. Peinlich (vor allem, wenn man das miese Ergebnis sieht, was ich bislang erzielt habe). Vielleicht ist man der Allerschlichteste mit seiner EigenMoral, schneidet sich wirklich nur ins eigene Fleisch, manövriert sich damit ins totale Aus und die anderen fahren um die Welt und lachen sich drüber kaputt.
Ich hatte aber auch schon mal viel schlechtere Laune als jetzt.
Dann: „sowieso nichts mehr angucken können“ ist doch Quatsch, also ich kuck mir gerne was an, muß ja wirklich nicht Kunst heißen, es ist doch: man ist an Welt interessiert, an Darstellung/Ausdruck interessiert, immer wieder, angesichts der Gegenwart angesichts der Vergangenheit, angesichts — vielleicht gibt´s das ja doch: interesseloses Wohlgefallen — usw. Was konstatiert man, wie reagiert man, was konstatieren andere, und natürlich: was macht die elende Öffentlichkeit. Der ekelhafte Matthias Matussek oder Florian Langenscheidt und wie sie alle heißen.
Ja, mich interessiert das, die deutsche 50erJahre Muff-Öffentlichkeit beim ekelhaften Beckmann, als wär nix gewesen sitzen da diese ganzen schamlosen Säcke rum, fühlen sich wohl und üben sich darin, ihre Schamlosigkeit noch zu übertreffen.
Man darf auch vielleicht nicht alles so für bare Münze nehmen, klar, ne, es sind doch Denkfiguren mit dem „nichts machen“, wirkliche Verweigerung wäre ja wirklich das Atmen zu verweigern. Aber wer sich umbringt hat was falsch verstanden (oder sehr traurig und wirklich keine Lust mehr. Das gibt´s natürlich auch.)
Ich bin eingeladen zu einer Lesung und lud da andere auch zu ein, Hamburger, weil es in Hamburg stattfindet und hatte so ein Motto mitgeschickt, ob sie sich so einen Hintergrund vorstellen könnten, das Motto klang in etwa so:
„Jetzt, wo „die Leere“ , „die Verweigerung“,“das Nichts“, „die Negation“ usw., Phantome und Geister in jedes Kreisstadtmuseum eingezogen sind, geht es endlich wieder um ALLES.“
– Darunter mochten sie sich aber nichts rechtes vorstellen und ich hab dann gesagt, — ok, wir brauchen ja auch kein Motto.
„Wolle mer se reilosse?“ hier irrte Dragan, denn das ist die Scheiße von Mainz, bzw. Frankfurt, die Scheiße von Köln geht: „Jeder Jeck ess anders. Et kütt wie et kütt, et hätt noch immer jootgejange“ und das ist (auf das soziale Feld bezogen) eigentlich eine gute praktikable Aussage. Die Kölner sind aber dann doch viel hm stromlinienförmiger, als sie es selber glauben. Das „jeck sein“ muß nach ihrem Verständnis praktiziert werden, sonst haben sie dafür auch kein Verständnis.
Ich will Köln nicht verteidigen, aber weil ich selber schon so lange hier wohne und es nicht nur mit billige Wohnung entschuldigen kann, obwohl das stimmt, wirklich sehr billje Wohnung und Arbeitsraum umsonst dazu!, denk ich wohl, ich müßte es. Muß ich ja gar nicht. Ich will seit 10 Jahren nach Berlin ziehen, wie öde ist das denn bitte, und da gibts ja nochmehr von den Leuten, die ungefähr dasselbe können wie ich, bißchen dit bißchen dat, aber ich bin immer gerne da, fühle mich besser. Mehr Platz, mehr Luft.
Der lange Winter schreckt mich aber total ab, vielleicht muß man ganz woanders hin. GANZ WOANDERS. Ich bin nicht so abhängig vom „Umfeld“ bilde ich mir ein, aber wenn man dann Leute trifft von denen man was hält und wirklich was wissen will, dann ist es schon sehr gut und ändert was in Richtungen, — die vorher eben gar nicht da waren. !!
Insofern wär es schon gut, Köln zu verlassen, aber ich Esel hab nichtmal Geld zum Umziehen. Ich krieg ja wirklich nichtmal irgendein blödes Fuck-Stipendium und langsam auch zu alt für sowas. Tja!
Tja heißt: man muß es umdrehen und so tun, als wäre man trotzdem privilegiert, oder man wird wahnsinnig.
Dreh es oh Seele.
Ich mach noch ein bißchen weiter.
Weitermachen ein Unglück, wie Du sagtest, ähm, worunter leidest du denn so?
Viele Grüße, M
P.S. Bildunterschrift: „Funke! Opjepaß! Du häst jepennt un dä Nazi nit verhindert“
Am 8. Juni 2006 um 16:34 Uhr
Meisterin,
ich las gerad aus Ihrer Feder, diese zwei Wört, in einem kleinen Text, wos um das „Insgesamtgelungenheit anstreben“ ging, und direkt erzitterts mich beim lesen, so gebündelt, 2 Wört, 2 Strich, da liegen sie nun da. Und zugleich so leicht dort hingeschrieben, so nebenbei, so ganz in sich, in ihrem Klang, in ihrer Wahrheit.
Ich bin doch noch einigermaßen sprachlos davon, und darf deshalb nur auf die Worte meines Kollegen N. verweisen und ihn hier gewissemaßen in meinem Namen sprechen lassen, der so ungefähr sagte, es seien die stillsten Wörter, welche den Sturm brächten, Gedanken, die mit Taubenfüßen kommen (Ecce Homo, irgendwo).
Am 8. Juni 2006 um 18:20 Uhr
Herr Gann! Nicht doch, bitte halten Sie an sich!
Ein wahrer Meister, so schrieb mir gerade N.N. privatissiment, sei doch nur dieser, der nicht Schüler, sondern wiederum Meister zu ziehen vermöchte; denk ich überdies an verkrüppelte Taubenfüße in der Nacht… dann weeß ik wie das Wesen west und trapst wie Botho Strauß im Hochgebirge
Am 9. Juni 2006 um 01:20 Uhr
Liebe M.,
das ist nicht recht, dass Du mich schillst, wo ich Dir doch eine so große Zustimmung zusende, aber es macht auch nichts.
Am 9. Juni 2006 um 10:48 Uhr
Sie wissen doch, wie die Leute sind, Gann. Die Bewegung muß erst mehr Fuß fassen
Am 9. Juni 2006 um 16:53 Uhr
Der rote Funk kann zwar nicht pennend die Nazis verhindern, dafür scheint er aber ordentlich was in der Butze zu haben!