Tauchzeit Tanzzeit Auszeit
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Die Pionierrepublik am Werbellinsee hat ihren Namen nochmal geändert und heißt jetzt SEEZEIT RESORT. Schon im letzten Jahr. Dieses Jahr haben sie die alten Hinweisschilder ausgewechselt, die Grafik vereinfacht und an alles, wo es irgendwie ging, ein –zeit angehängt, damit die Umbenennung besser einleuchtet. Rechtfertigungszwang. Von niemand verlangt.
Speisesaal 1 heißt jetzt TISCHZEIT, Speisesaal 2 TAFELZEIT. Die Diskothek TANZZEIT. Wir haben KEGELZEIT, AUSZEIT, TAUCHZEIT, FAHRZEIT. Gerade war eine Jugendgruppe angekommen und strömte ins Haus DENKZEIT, wo vorher eine Sprachschule gewesen war.
Die Besucherin hätte gern gewußt, was die Jugendlichen in DENKZEIT machen. Auch, wie man als Lehrender oder Betreuer da herangeht. Damit sie es gerne und freiwillig machen und nicht dazu angehalten werden müssen. Der tägliche Kampf beim Handy einsammeln und Handy einbehalten. Organisieren und gestalten Sie eine Woche Programm im Haus DENKZEIT. Zur Stärkung von intrinsischer Motivation der Einzelnen mit unterschiedlich schnell wachsenden Schläfenlappen. Wenden Sie an, was Sie in den Modulen gelernt haben. Achten Sie bitte darauf, daß bereits verbale Entmutigung als Diskriminierung gelten und geahndet werden kann.
Ich habe die Jugendgruppe im Haus DENKZEIT nicht ausreichend lange observieren können. Sie haben ihre Taschen und Rucksäcke im Flur auf dem polierten Steinboden abgestellt und sind gleich wieder raus.
Es waren diesmal keine Teilnehmer der Erlebnisfreizeit des Berlin-Brandenburger Behindertenverbands da, sondern unübersichtlich viele, zum Teil höllisch laute Schulkindergruppen. Nicht ganz so aggressiv wie die Kinder von Gladbeck, aber tierisch aufgekratzt, besonders abends. In der Stunde nach dem Abendbrot vor dem Zubettgehen. Pubertierende im zickzack durch die Dämmerung, sinnlos gepeitscht, genötigt von umfangreichen Umbaumaßnahmen der Biologie und Sonstigem. Diese beginnen bereits im Alter von etwa 9 Jahren. Man konnte nicht mehr in Ruhe das Unterholz durchkämmen, um nach überwachsenen Resten von Freilichtbühnen zu suchen. Oder anderen gut befremdlichen Hinweisen auf ein fernes, mich unendlich faszinierendes System als Forschungsgebiet, Feldforschungsgebiet der Einbildungskraft, untergegangen, unbestimmt dräuend fortlebend, teilerbaut aus Steinen des gesprengten Carinhall.
Überall waren sie zugange mit ihrer Brüllerei. Teambuilding und individuelle Förderung von individuell verkümmerten Sinnen. Na klar, ist wichtig. Brach liegen die Sinne. Floße und Hütten sollen sie bauen mit ihren unkundigen Händen und glanzlosen Augen. Von Erlebnispädagogen angewiesen irgendwo hochklettern, oben balancieren, dann vertrauensvoll loslassen, fallen und sicher aufgefangen werden.
Ach Gott. Einmal spielten wir in Päda-Leistung ein sogenanntes Vertrauensspiel. Leider wurde mir mein Lehrer zugelost. Die Sehende, (ich), führt ihren Partner, (den Lehrer), dem die Augen verbunden sind, auf Zuruf haarscharf an Hindernissen vorbei und gibt dabei Kommandos wie Stop, weiter, geradeaus, links usw. Mein Pädalehrer vertraute mir wohl und durchschritt die Halle mit verbundenen Augen ausgesprochen zügig. Bald schon hatte er sich gefährlich weit entfernt. Ich lief hinterher und rief: HALT HERR SENGER! ACHTUNG! VORSICHT! da knallte er schon ungebremst mit der Stirn gegen einen Vorsprung. Er hatte mich nicht mehr gehört und war einfach unter die Beton-Treppe gelaufen.
Er hatte wohl tatsächlich nichts gesehen und sich tatsächlich blind führen lassen!
Nahm seine Augenbinde ab und sah mich verständnislos an. Betastete die Stirne. Kleine Schramme, bißchen Blut. Furchtbare Pein, entsetzliche Schuld! Ihn mit seinem roten Gesicht und hängenden Schultern zu sehen und mich Entschuldigungen stammeln hören.
Er tat so, als wäre es nicht so schlimm. Es war aber doch schlimm.
Er schaute nur noch an mir vorbei zu Boden.
Die Erlebnispädagogen sind mit Kleinbussen gekommen auf denen „Schattenspringer“ steht, oder „Grenzgänger“, allesamt Mutmacher. Dicke Grundschüler in engen Anoraks schälen sich aus den pinken Bussen vom Jessica Fahrdienst. Bald werden auch ihnen Geschirre angelegt, mit Karabinerhaken, an denen sie hochgezogen werden in den Kletterwald zu allgemeiner Mutmachung.
In der Bewirtungsgruppe 3 saß ich stets allein in der riesigen Halle. Manchmal hatten sie mich vergessen und schon alles abgeräumt, wenn ich abends erwartungsfroh vom See zum Speisesaal kam.
Am letzten Tag saß ich beim Frühstück mit einem zirka 12jährigen Mädchen zu Tisch. Es hatte den Anschluß an seine Gruppe verloren und fragte, ob es sich hier, mir gegenüber, hinsetzen dürfe.
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Wie man sich das alles vorzustellen hat.
Am 8. Juli 2024 um 11:17 Uhr
Erzähl er doch weiter, Herr Urian.
Am 11. Juli 2024 um 12:22 Uhr
„In der jüngsten Inszenierung, „Alice im Wunderland“ von Oliver Frljic? am Gorki-Theater mussten die Schauspieler auf ein Modell des Reichstags koten. Hier nicht im Bilde.“
nach
„Protesttheater, schlecht performt“ heute in der SZ weitere, etwas ältere Artikel von Peter Laudenbach gelesen, mich gut erinnert, unterhalten und informiert gefühlt. – Daß Kubitschek sein Internetportal in Anlehnung an Botho Strauß Sezession genannt hat, wußte ich nicht, geht einem aber sofort auf. Der anschwellende Bocksgesang mit seinem albernen Geraune, darauf war 1993 der als enfant terrible gehaltene Philosophie-Professor Schulte in Köln hereingefallen, bzw.: hatte sich angesprochen und animiert gefühlt und im Seminar dafür geworben. Den Text ausführlich durchgenommen. Anselm Lenz, Fritz J. Raddatz, ach ja. Die Lage vor 31 Jahren, die Lage vor 4 Jahren, die Lage vor 14 Jahren.
Tagebücher von Fritz Raddatz: Peinlich sind immer die anderen 1.11.2010
https://taz.de/!5133059/
Der „letzte Deutsche“: Botho Strauß im Schlussverkauf 19.9.2020
https://taz.de/Der-letzte-Deutsche/!5711319/
Selbstvermarkter Anselm Lenz: Aluhüte am Rosa-Luxemburg-Platz 7.5.2020
https://taz.de/Selbstvermarkter-Anselm-Lenz/!5681197/
Am 13. Juli 2024 um 23:13 Uhr
Am 23. Juli 2024 um 23:57 Uhr
Ich will jetzt an der Stelle den
14:47
Punkt noch setzen ähm meiner Meinung nach und da dürfen sie mir nachher bei einer Bratwurst
14:54
drüben sehr gerne wieder sprechen meiner Meinung nach kommen wir mit Konzept wie dem solidarischen
15:01
Patriotismus oder andere nicht mehr weit dieses Volk braucht ein kältebart das
15:07
ist meine feste Überzeugung dass das sozial in unserem Land eine sierung ist
Schnellroda-Sommerfest, 14.7.24
Am 24. Juli 2024 um 00:25 Uhr
1993. André Müller interviewt den 99jährigen Ernst Jünger
Am 24. Juli 2024 um 15:19 Uhr
nochmal und nochmal
Am 13. April 2011 um 09:38 Uhr
über forsthoff
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Eigentlich hatten wir ja die Idee, dass wir Sie beauftragen, ein Interview zu führen, mit Angela Merkel oder so, aber wir dachten, das sei zu teuer.
André Müller: Die Merkel mach ich gratis, aber man kriegt doch diese Leute nicht.
Ich glaubte, es reicht, wenn André Müller um ein Interview bittet.
Bei Kulturschaffenden vielleicht.
Zuletzt haben Sie Christoph Schlingensief für die „Weltwoche“ interviewt, aber das war eher eine kurze Angelegenheit.
Das hätte ich als Dialog gar nicht gebrauchen können. Er redet entweder über seine Krankheit oder durchgehend Blödsinn. Der Mann ist ja auch vollkommen ungebildet. Er redet immer über das, was ihm ein Pfarrer oder irgendjemand tags davor erzählt hat.
Entsprechend bösartig war der Text, den Sie über ihn schrieben. Sie stellten Schlingensief als jemanden dar, der nicht denkt, wenn er spricht.
Man muss ja nicht denken. Denken ist ja ein Nachteil im Leben. Ein Aktionskünstler wie Schlingensief darf ja gar nicht denken, weil Denken ist ja eher lähmend. Er ist ja so tätig. Im Krankenhaus hat er immer gesagt, er will noch etwas tun. Aber was denn eigentlich?
Ich dachte, Sie machen überhaupt keine Interviews mehr. Mir haben Sie jetzt ja auch gemailt, dass Sie bis zu Ihrem Exitus nur noch Prosa schreiben wollen.
Ich schreibe weiter, bis ich entweder dement bin oder körperlich nicht mehr kann. Das ist ein Endlostext. Eine Existenzgrundlage. Dauertherapie.
Interviews interessieren Sie nicht mehr?
Das hat mich nie interessiert.
Aber Sie sind schon stolz auf die Interviews, die Sie gemacht haben?
Überhaupt nicht.
Warum haben Sie haben dann diese virtuelle Ruhmeshalle aufgebaut, in der man alle Ihre Interviews anklicken kann?
Aus Bequemlichkeit, weil es die Bücher nicht mehr gibt. Die Homepage hat mir der Mann von Elfriede Jelinek eingerichtet. Es hat sich daraus auch schon einiges ergeben, das Thalia-Theater hat so das Interview mit Alice Schwarzer gefunden und es als Stück aufgeführt.
Wie sind Sie Jelinek so nahegekommen, dass sich eine Freundschaft entwickelt hat?
Ich habe sie Ende der 80er-Jahre erstmals interviewt. Und dann hat man sich Karten geschrieben. Zum zweiten Mal habe ich sie nach dem Nobelpreis interviewt. Man hat sich geschrieben, sie hat plötzlich das Du angeboten. Wir mailen ständig. Die geht ja nicht aus dem Haus. Da ist irgendeine Seelenverwandtschaft. Sie ist für mich ganz wichtig.
Sie haben prominente Persönlichkeiten von Thomas Bernhard bis Karl Lagerfeld interviewt. Wie sind Sie auf die Idee gekommen, Ihre eigene Mutter zu interviewen?
Es war eine Schnapsidee. Ich hatte ein Fixum bei der „Zeit“ und musste fünf, es waren eigentlich eh nur drei, Interviews pro Jahr liefern. Und mir geht ja am meisten das Antichambrieren auf die Nerven, um Leute zu kriegen. Bei meiner Mutter wusste ich, sie sagt mir nicht ab. Sie hat ja dann durchgeheult in dem Interview. Die professionelle Fassade war hilfreich im Gespräch mit meiner Mutter. Ich habe Sachen erfahren, die ich nicht gewusst hatte.
Hat Ihre Mutter es nie bereut, dass das Interview veröffentlicht und dann sogar als Theaterstück aufgeführt wurde?
Meine Mutter hat sich nie negativ geäußert. Sie ist im Juni 2008 gestorben. Bei der Beerdigung meiner Mutter habe ich aus dem Interview vorgelesen. Meine spießige Tante fand das ganz furchtbar.
Bei manchen Passagen habe ich mich gewundert. Sie sagen in dem Interview zum Beispiel, dass Sie Ihre Mutter nicht lieben.
Kann schon sein. Ich habe zu meiner Mutter zwangsläufig ein schwer neurotisches Verhältnis. Es war kein Vater da, keine Geschwister. Ich bin nur mit dieser Frau in Wien-Favoriten in einer Zweizimmerwohnung aufgewachsen, wo ein Zimmer jahrelang nicht möbliert war. Da entsteht natürlich eine Bindung, aus der man sich lösen muss.
Ihr Vater, ein Franzose, hat Ihre Mutter noch vor Ihrer Geburt verlassen. Haben Sie sich je auf die Suche nach Ihrem Vater begeben?
Das habe ich eben nicht. Doch, doch natürlich habe ich das. Was rede ich denn? Den habe ich ja einmal gesehen.
Wann?
Da war ich 19. Ich habe im Schrank meiner Mutter französische Briefe von ihm gefunden, in denen er die Vaterschaft abstreitet. Ich habe seine Adresse ausgekundschaftet und ihm geschrieben. „Je suis ton fils“ war der erste Satz. Und dann kündigte sich der Vater auf einmal an in Wien. Der war so furchtbar.
Was war so furchtbar an ihm?
Er sah damals so aus wie ich heute, furchtbar hässlich. Dann stieg der noch bei uns ab. Nachts, als er dachte, ich schlief, schlich er rüber zu meiner Mutter und bedrängte sie, weil er mit ihr schlafen wollte. Ich habe es mitgehört und bin erstarrt. Dann kommt er zurück und ich höre plötzlich so (schlägt zweimal krachend auf den Tisch) – und der onaniert neben mir. Ich habe ihn nur noch gehasst. Mein ganzer Hass hat sich auf diesen Vater konzentriert, darum kann ich sonst niemanden hassen. Ich hatte mir doch einen Vater erdichtet und einen vornehmen Herren wie aus einem Stendhal-Roman vorgestellt. Aber er ist ein richtiges Arschloch gewesen. Und da ich Gene von ihm habe, hat man natürlich ewig das Problem, dass man selbst ein Arschloch ist.
Glauben Sie, dass sich das Arschloch-Gen direkt weitervererbt?
So eine Feigheit kann sich vererben. Aber es ist mir schon wichtig gewesen später, dass mir jemand sagt, ich bin kein Arschloch.
In Interviews, in denen Sie Rede und Antwort stehen, kommen Sie natürlich schon als Arschloch rüber.
(Lacht) Na bitte. Wissen Sie, was ich geträumt habe? Dass ich in China bin und der Heller ruft an. Und ich sage, die „Presse“ hat einen politischen Journalisten geschickt. Und ich habe mich im Traum auf jemanden vorbereitet, der als Erstes sagt: „Sie Trottel.“ – Glauben Sie, dass ich ein Arschloch bin?
Nein, aber in einem Interview sagten Sie mal, dass Sie Ihre Gesprächspartner gar nicht interessieren. Auch nicht sehr sympathisch.
Mich interessiert meine Geliebte, weil von ihr bin ich existenziell abhängig, Sonst interessiert mich als Mensch kaum jemand. Ich mache das Interviewen ausschließlich zum Geldverdienen. Und da muss ich mir Leute aussuchen, die man verkaufen kann.
Was macht das aus einem Menschen, wenn er vaterlos aufwächst?
Man hat kein Über-Ich. Man hat keine Grenzen, keine moralischen Vorschriften. Und das habe ich auch immer in Verbindung gebracht mit meiner Interviewbegabung. Ich begegne niemandem mit Meinungen, sondern wie ein Loch, in das er sich hineinergießen kann, bis er gar nicht mehr merkt, dass er da schon reinstrudelt. Weil ich eine Leere bin, eine moralische und ideologische. Es werden doch heute nur Meinungen ausgetauscht. Ich liebe ein Zitat von dem Philosophen Berkeley: Alle haben Meinungen und keiner denkt.
Ihre Mutter sagt im Interview vorwurfsvoll, Sie hätten dauernd sterben wollen.
Ich habe immer schon über Selbstmord geredet, als Pubertierender. Camus sagt, das einzig interessante philosophische Thema ist, ob man sich umbringt oder nicht. Als Gesprächsthema ist das geblieben, jetzt immer weniger.
Aber Sie haben diese Gedanken nicht mehr?
(Lacht) Ich hatte zwei Selbstmordversuche, einen in Wien, als mich der Dichand aus der „Kronen Zeitung“ rausschmiss. Ich bin zum Ringel ins Krankenhaus eingeliefert worden und mir wurde der Magen ausgepumpt. Und in München hatte ich auch noch ein Selbstmorderlebnis, da war ich 37. Und dann dachte ich, wenn man eh fast schon von selber stirbt, finde ich es degoutant, sich noch selber umzubringen Wenn ich heute Michel Houellebecq frage, warum er sich nicht umbringt, ist das ein guter Einstieg bei ihm. Man muss ja die Leute immer das fragen, wofür sie bekannt sind. Als ich mit Leni Riefenstahl gesprochen habe, war sie ungefähr 100 und sie wollte nicht mehr über die Nazizeit reden, sondern über Afrika und Mode. Das ist natürlich absurd. Das wäre unjournalistisch.
Warum hat Sie Dichand rausgeschmissen?
Ich hatte in der „Kronen Zeitung“ eigentlich Narrenfreiheit. So etwas gab es. Das war doch ein kleines Käseblatt.
Jetzt ist es ein großes Käseblatt.
So ist es. Einmal schrieb ich in der „Krone“ einen Artikel mit dem Titel „Angeklagter Franz Stoss“. Der erzählte damals als Direktor der Josefstadt stolz, dass er die englischen Boulevardstücke gar nicht liest, bevor er sie aufführt. Ich habe das als völlige Ignoranz beschrieben und wurde gekündigt. Dichand hat gesagt: „Es wird für Sie besser sein, wenn Sie gehen.“ Er hatte recht.
Sie haben einmal gesagt, die meisten Gesprächspartner seien Ihnen nicht gemäß gewesen und hätten Ihnen nicht entsprochen?
Das stimmt ja auch.
Was haben Sie da für Ansprüche, bitte?
Den Anspruch habe ich immer nur an mich. Ich muss selbst mit diesen Idioten was Gutes machen. Dass der Gesprächspartner langweilig ist, gilt bei mir nicht. Ich gebe keinen Text aus der Hand, der nicht durch die Zensur meines Qualitätsanspruchs geht. Nur brauche ich viel zu viel Zeit fürs Schreiben. Deshalb bin ich als Journalist ungeeignet. Ich bin zu genau mit Worten.
Waren denn Gespräche darunter, aus denen Sie etwas gelernt haben?
Es gab Begegnungen, die ich im Nachhinein als Gewinn bezeichnen würde: mit Ernst Jünger, mit Friedrich Dürrenmatt, mit Thomas Bernhard natürlich.
Politiker haben Sie eher selten interviewt.
Obwohl die am einfachsten sind. Weil sie genau überlegen, was sie reden.
Nur kommt meistens nicht viel raus dabei.
Wenn die Fragen interessant sind, können die Antworten ja ein Schmarrn sein. Ich bin ja dann in einem Rausch drinnen, ich bin dann wie verrückt, ich mache immer weiter, bis was passiert.
Besonders groß war die Aufregung nach Ihrem legendären Interview mit dem damaligen Burgtheater-Direktor Peymann.
Ich bot das Interview wie vereinbart dem „Spiegel“ an. Doch Urs Jenny vom „Spiegel“ findet es undruckbar, rennt in die Rechtsabteilung und schickt es dann Peymann. Peymann übergibt das Kuvert ungeöffnet Thomas Bernhard. Der sagt zu Peymann: „Das Interview ist das Einzige, was von dir übrig bleiben wird, es muss gedruckt werden.“ Daraufhin habe ich es der „Zeit“ angeboten. Dort habe ich dann deswegen ein Fixum bekommen. Die Erika Pluhar war ein ganz besonderer Fall. Sie ließ mich gleich nach unserem Treffen von ihrem Rechtsanwalt kontakten und wollte alle Tonbänder zurück.
Warum haben Sie das Interview trotzdem veröffentlicht?
Weil ich weiß, wie die Welt ist. Sie hat später in meinem Buch „Österreicher/innen“ geschrieben, dass unser Interview das beste war, das sie je über sich gelesen hat. Ich mache doch nicht Arbeit, die mir gelungen ist, für nichts. Ich finde entwürdigend, was manche Journalisten mit sich machen lassen.
Sie schlagen also vor, Interviews gar nicht mehr autorisieren zu lassen?
Das Wort autorisieren ist Unsinn. Das hieße ja, der Interviewte darf machen, was er will. Es sind meistens eh nur unbekannte Serienfuzzis, die sich am blödesten aufführen. Die soll man einfach nicht mehr interviewen. Dass man Sätze, die per Tonband nachweislich gesagt wurden, zurücknimmt, ist absurd.
Darf ich noch was fragen? Was ist der Höchstpreis, den Sie für ein Interview erzielten?
Das erzähle ich doch nicht. Obwohl: Ich kann es fast sagen. Einer der Höchstpreise war damals wirklich das Interview mit Franz Vranitzky für „profil“. Über 100.000 Schilling haben sie bezahlt. Die hatten noch Geld damals.
(„Die Presse“, Print-Ausgabe, 14.03.2010)
Am 7. August 2024 um 01:35 Uhr
Hi 🙂
Ich mag mit meinem Kommentar zu dem Bild „Unlizenzierte Musteransicht“ (ddrbildarchiv.de) mal wieder ganz furchtbar daneben liegen: Aber die Assoziation, die mir beim Anblick dieses Bildes zuerst in den Sinn kommt ist, „Diese Generation wünsche ich mir zurück, mit dieser Generation hätten wir NICHT die ganzen Problemen die wir jetzt haben“.
Ich höre und sehe in letzter Zeit wieder vermehrt Musik und Filme aus den 80er und 90er Jahren und erfreue mich einfach wahnsinnig an der Frische, Frechheit, Direkt- und Ehrlichkeit und vor allem Tatkräftigkeit dieser Generation.
Um es anderes auszudrücken (und das mag bei Kenntnis der Herkunft dieses Bildes verwundern, doch ich bleibe dabei): Mit den Jungs und Mädels auf dem Bild hätten wird dieser ganzen Probleme nicht, die wir aktuell nur zu sehr mit uns schleppen müssen:
– Klimakatastrophe
– Schlechte Infrastruktur (Straßen, Bahn, Flug, die ‚ geistige‘ Infrastruktur wir Vertrauen, Rechtssicherheit, Gleichheit vor dem Gesetz und in der Praxis)
– schlechte Schulen und Bildung
– das fehlende Gewicht klassischer Medien wie der Tageszeitung
– zu viele ungelöste Probleme, wie die oben genannten plus fehlende Eindämmung von Aggressoren, Konflikt im nahen Osten usw.)
– Ungerechtigkeiten im Alltag
– Führungseliten die skrupellos und nicht integer sind,
– und so einiges mehr.
Wenn ich z.B. an Ami-Filme aus den 80 er und 90er Lage zurückdenke, scheint mir die Hauptaussage zu sein: Sei hart, aber herzlich, d.h. habe immer das Gute (auch für andere) mir im Auge.
Heute habe ich in meinem Lebensalltag meist das Gegensatz: „weich, aber komplett unherzlich, d.h. zum größten Schaden für die Mitkollegen.
Schöne Grüße
Christian Hölper