Eden
18.7.
Wanderung und Besichtigung von EDEN am 21.7.11
Sehr geehrte Frau Eichwald,
hiermit bestätigen wir den Eingang Ihrer Mail und freuen uns über Ihr Interesse an unserer Siedlung. Wir müssen Ihnen jedoch mitteilen, dass die Genossenschaft noch bis zum 29.07.2011 urlaubsbedingte Schließzeiten hat.
Sie können sich jedoch gerne mit Ihrem Anliegen an unser Genossenschaftsmitglied E. wenden, um abzuklären ob eine so kurzfristige Führung noch möglich ist.Mit freundlichen Grüßen
Grundstücksverwaltung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
EDEN Gemeinnützige Obstbau-Siedlung eG
Struveweg 501, D 16515 Oranienburg
Tel: 03301/ 52 32 6 Fax: 03301 / 52 32 70
Sekretariat: D. Schulz
E-Mail: d.schulz@eden-eg.de
Internet: www.eden-eg.de
Herzlichen Dank!
Es würde uns sehr freuen, wenn Herr E. am Donnerstag nachmittag ein bißchen Zeit für uns hat.
Ich werde ihn anrufen.
Viele Grüße
Michaela Eichwald
Liebe Interessengemeinschaft,
Herr E. hat gerade zurückgerufen und sich bereit erklärt, uns zu führen. Er ist der Leiter der AG Ausstellung und klingt sehr nett.
mein Vorschlag ist: wir fahren (zusammen oder getrennt) am Donnerstag um ca. 12 Uhr mit der S1 nach Oranienburg und laufen dann die 2, 3 Kilometer nach Eden.
Wir sind mit ihm zwischen 13.30 und 14 Uhr verabredet.
Eden verfügt über 14 Kilometer Wege.
Hinterher könnten wir noch ein bißchen Richtung Heimat weiterwandern, oder irgendwo einkehren und später heim fahren.
21.7.
24.7.
Ich hoffe, ich kriege einst einen richtigen Bericht hin, aber wie, ohne unseren wirklich sehr netten Führer zu kompromittieren. Als wir nach ca. 4 Stunden EDEN zusammen in Oranienburg beim Essen saßen, war die Stimmung zunächst gedrückter, als nach dem Besuch des Stasi-Gefängnisses. Was man nicht unbedingt vermutet hätte. Es lag wahrscheinlich schon sehr am Wetter, aber es ging auch eine etwas beklemmende Wirkung von dem Eden-Areal selbst und den liebevoll zusammengestellten Exponaten der Ausstellung aus. (Ken sprach von dem überall spürbaren „Nachleben der Ideologie“. Ja.)
Ich weiß nicht ganz genau, was es ist, möglicherweise kommt ein Teil der Bedrückung daher, daß EDEN bei allen Vorzügen und allen richtigen Ideen für das nichtausbeuterische Zusammenleben von Menschen und unhierarchischem, oder was, Verhältnis zu Tier, Pflanze, Boden, Rohstoff, Zins, Miet, Sonne, Freiland, Freigeld, Freihandel (s. Silvio Gesell) etwas Repressives hat, was aber, meine ich, nicht so sehr damit zusammenhängt, daß man besser nicht rauchen, trinken, Fleisch essen soll, da kann man sich drüber hinwegsetzen, sondern das es von etwas rigide Völkischem durchdrungen ist und etwas ausatmet, über das man sich nicht leicht hinwegsetzen kann. Ich kann fast nicht sagen, ob ich das Völkische, das von der esoterischen, lebensreformerisch national-sozialistischen Bewegung herweht, oder den völkisch verklemmt verstunken repressiven DDR-Verwaltungsgeruch grauenhafter finden muß.
Fast sind mir die frühen Nazis lieber.
Auf der Rückfahrt und spätestens im Magendoktor löste sich die Bedrückung und ich dachte an ein Baselitz-Zitat aus dem einen größeren Interview von ungefähr 1998. Die Stelle, wo es um die armen bzw. normalen Leute geht. Daß Baselitz so gern in die Kneipe unter arme Leute geht und sinngemäß, oder sogar wörtlich, sagt:
Der Ton ist rauher und es lebt sich freier, aber die Säcke, die man trägt, sind leer.
Daß das paßt sehr auf den Magendokter klang für mich selbst zustimmungswürdig, also plausibel, stimmt aber eigentlich nicht, denn der Ton und die Behandlung im Magendoktor ist – jedenfalls von Wirtsseite her – noch niemals rauh oder sonstwie blöd gewesen, sondern in Wahrheit fast zärtlich, klug und nachsichtig. Voll im Bilde über die Lage und das Wesen der Kundschaft erledigt die Wirtschaft des Magendoktors schnell und ohne Aufhebens Ausschank wie Abrechnung. Nichts von der albernen Blasiertheit und Borniertheit vieler Bedienungen der Bars, Clubs, Restaurants und ähnlichen Orten der Menschheitsdemütigung. Nur der Norbert ist leider nicht mehr da und die Wirtin konnte mir nicht sagen, wo er jetzt arbeitet. Da war ich traurig.
Am 25. Juli 2011 um 22:37 Uhr
Eben saß ich sinnierend am Nettelbeckplatz und verachtete in Gedanken einen Dackelmischling für sein doofes Aussehen, den Scheiß-Deutschen, den sein Herrchen darstellt, die Art seines eigenen Hinscheißens und darauffolgendes affektiertes Herumscharren, und dachte gerade, daß es ja ungerecht ist, so zu denken, der Hund kann ja nichts dafür, aber dennoch nicht zu ändern, als mir wie zur Strafe von hinten eine kleine Ratte ans Bein sprang und dann Richtung Satans-Springbrunnen davonrannte.
Am 26. Juli 2011 um 01:30 Uhr
In Geolino 8/2011: Das tote Pferd Authentizität.
Von der Schimäre zur Schindmähre.
Am 26. Juli 2011 um 02:30 Uhr
A.d.R selten und lange nicht mehr gedachte Worte: Apparatschik.
Am 26. Juli 2011 um 02:41 Uhr
woran ich auch wahrscheinlich 20 Jahre nicht gedacht habe. Ein geflügelter Satz meiner Mutter: Wenn ich euch nicht so lieb hätte, würde ich euch jeden Tag den Arsch hauen. (Wirklich! sagte sie ganz oft und haute uns niemals den Arsch. Wo sie das wohl her hatte?)
Am 26. Juli 2011 um 09:41 Uhr
Es ist soweit.
Am 27. Juli 2011 um 10:32 Uhr
Das Heizöl für den Winter wird gebracht.
Am 27. Juli 2011 um 10:54 Uhr
Ich will mir 100.000 Liter privat kommen lassen.
Preisrechner des Brennstoffhandels Karl Mägdefrau, Kaiserdamm
Heizöl HEL Standard, schwefelarm
67,88 EUR/100 L (exkl. MwSt.)
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Am 27. Juli 2011 um 12:14 Uhr
Treffen sich der Pop-Papst, der Internet-Guru und der Medien-Mogul, sagt der Medien-Mogul:
Am 27. Juli 2011 um 13:18 Uhr
Was sind die Bedingungen der Möglichkeit zur Herstellung von beglückenden Situationen mit lebendigen Menschen.
Am 27. Juli 2011 um 23:12 Uhr
wenn Sie das herausgefunden haben, könnten Sie mir bitte einen Hinweis geben?
Am 28. Juli 2011 um 00:54 Uhr
Ja!
Am 14. August 2011 um 05:05 Uhr
Propheten in Eden – Konflikt mit der Verwaltung
„a. aus einem Brief Haeussers an Friedrich Kiel, den bekannten Edener Produzenten
von pflanzlichem Fleischersatz und Haeusser-Anhänger (14.5.1922)
Daß ich am 10., 12., 17., 18. Mai [1922] nicht in Berlin redete, hat seine Ursache nur
darin, daß dieses Babylon Mich noch nicht wert ist! Die müssen erst nach Mir schrein
und nach Mir rufen: Gelobt sei der da kommt im namen des Herrn! Denn: Herr Wir
preisen Deine Stärke, werden noch Alle Mir zurufen! Vor Mir beugt die Erde sich –
und bewundert Meine Werke! als Ich am 12. Juni 1920 das erste Mal in Berlin reden
sollte, wurde Ich am 10. Juni in Oranienburg ebenso grundlos verhaftet wie jetzt am
10. früh in Hamburg! Das deutet doch wohl deutlich genug an, daß Ich weder damals
noch heute in Berlin reden sollte! Aber Berlin holt Mich noch – – – hört Mich bald – – –
denn Eden-Berlin wird zum großen Haupt-Quartier, ‚Grand quartier General‘! – ! – !
Dann – – – – – – – ist die zeit nahe – – – – – –
b. aus einem Brief Haeussers an Kiel (18.5.1922)
Alles deutet darauf hin, daß das Hauptquartier der Armee der Wahrheit bald nach
Eden-Berlin verlegt wird.
c. Öffentliche Erklärung des Vorstandes der Edener Genossenschaft
Haeusser-Stark und Anhang stehen außerhalb der Gesinnungs- und Arbeitsgemein-
schaft der Obstbausiedlung Eden e.G.m.b.H. zu Oranienburg-Eden. Sie weilen ledig-
lich als Gäste vorübergehend bei Edener Genossen.. die Genossenschaft hat nichts
mit ihnen zu tun.
Im auftrage der Gemeinde und Körperschaften der Obstbausiedlung Eden: Der Vor-
stand.
d. Brief Haeussers an den Vorstand (6.7.1922)
Ihre roten Vignetten mit obigem Text, in ganz Berlin angeklebt, kann Ich vorläufig nur
bedauern! Weitere strenge Maßnahmen hängen ab von Ihrer ferneren Haltung! Sie
sind gewarnt …
Wer Mich verleugnet, den will auch Ich verleugnen! Auch richten will Ich Ihn nach
seinen Werken – – – Sünde wider den Geist! Ich habe probate Mittel und Wege, um
Ihnen Duldung, Liebe Achtung in starker Dosis einzugeben!!! Geduld … Jungens …
der Tag der Rache kommt …
e. Brief des Vorstands an Haeussers Edener Gesinnungsgenossen Friedrich
Schneider (11.7.1922)
Von Herrn Haeusser haben wir eine Einschreibekarte mit folgendem Inhalt bekom-
men [folgt Text d.]. Da Herr Haeusser sich über das Gastrecht weit hinaussetzt, so
ersuchen wir Sie, dafür bemüht zu sein, daß Herr Haeusser die Obstbausiedlung so-
fort verläßt. Wir können nicht annehmen, daß Sie als unser Genosse derartige Belei-
digungen der Körperschaften und der Gemeinde der Obstbausiedlung Eden zulas-
sen werden. Der Inhalt unserer roten Zettel entspricht, wie Sie ja selbst zugeben
werden, der Wahrheit, und die Verbreitung der Wahrheit kann selbst ein Haeusser
nicht aufhalten noch verbieten. Diese kräfte sind stärker und diesen Kräften wird Ha-
eusser unterliegen!
Mit genossenschaftlichem Gruß: Fritz Hampke. Otto Willkommen.
f. Antwort Schneiders an den Vorstand (12.7.1922)
Zum Schreiben vom 11. Juli 1922 bemerke ich: Wen ich beherbergen will, darüber
bestimme ich allein. Eine Bevormundung von seiten des Vorstandes lehne ich ab.
Eine Beleidigung finde ich nicht in der Haeusserkarte. Haeusser ist Wahrheit, die
Wahrheit wird siegen!
Übrigens steht Matthäus 25, 43: ‚Ich bin gast gewesen und ihr habt mich nicht beher-
berget … und was ihr nicht getan habt Einem unter diesen Geringsten, das habt ihr
mir auch nicht getan.‘
In diesem Sinnen grüßend: Friedrich Schneider.“
(Propheten-Auftritt: Lou Haeusser und Leonhard Stark (1922), in: Ulrich Linse (Hg.):
Zurück, o Mensch, zur Mutter Erde. Landkommunen in Deutschland 1890-1933,
München 1983, S. 55 ff.)