Das 110jährige Ehepaar aus Dresden-Neustadt

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Veranstaltungshinweise

Frankfurt: Städelschule Symposium: Canvases and Careers Today
Saturday, 15 December, 15h, Aula
Sunday, 16 December, 14h, Portikus

(wenn da einer mit dem Auto hinfährt, Samstag von Köln nach Frankfurt, führ ich vielleicht gern mit!)

Köln: Viola Klein präsentiert Appreciation of the S,
Sonntag, 16.12.07, Quäker Nachbarschaftsheim ab 19 Uhr bis ultimo
und Montag, 17.12.07 Sanctuary, Kölnischer Kunstverein, 19 Uhr

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Older Story. Was bisher geschah:
Das nette 110-jährige Ehepaar aus Dresden-Neustadt im Café Bolero in Kassel vor der Neuen Galerie hatte ich kennengelernt, nachdem ich da schon eine Weile mit herrschaftlichem Blick über die Karlsaue und mächtigen Wolkentonnen am Himmel in der Sonne gesessen hatte, gedichtet und mich gerade an dem berstenden Lachen zweier ca. 60jähriger Holländer freute, die ganz ungelenk auf Deutsch allerhand bestellten und darüber wie das klang, so albern lachen mußten, als hätten sie gekifft, als ein winzig kleiner Mann mit Buckel und typischem blauleinernen kragenlosen Maler-Leiberl und seine sehr treusorgend wirkende Frau langsam an meinen Tisch kamen und fragten, ob sie sich zu mir setzen könnten. Gleich weiter sehr angenehmes Gefühl.
Sie waren den 4. Tag da und hatten sich alles angesehen, nahmen alles sehr ernst, meinten aber vorsichtig, doch nicht so den Zugang zu manchem gefunden zu haben. Das Begleitprogramm der Kirchen hatte ihnen fast am besten gefallen, das sei sehr sehr intensiv gewesen, so eindringlich. Irgendwas mit Tönen, sich selbst ständig verstärkenden Glockenschlägen, Rückkopplung, bis an die Grenze des Erträglichen und darüber hinaus. Das sei so schlimm gewesen, sagte der uralte Mann, er hätte die Assoziation des Großangriffs auf Kassel gehabt. So ungefähr müsse das gewesen sein, 1943. Und dann ging es, ich weiß nicht mehr, wie, um die DDR, den DDR-Künstlerbund und es sei alles natürlich etwas bis sehr schwierig gewesen, aber doch auch was möglich. Der Mann sprach, die Frau nickte und ermunterte. Der Mann wiederholte: Man hätte nämlich SCHON was machen können, auch in der DDR und eben am besten über die Kirche und dann von irgendwas erzählt mit Israel, da hätten sie was hingebogen gekriegt, das hab ich nicht richtig verstanden und auch nicht nachgefragt, aber man hätte sich natürlich auch was trauen müssen! –  Der Mann schaute mich an und schwieg. Aber natürlich, man MUSS sich doch was trauen im Leben, so sagte ich es wie auf Kommando, so hörte ich mich tönen und hatte auch keinen Wert darauf gelegt, mich selbst von außen dabei ansehen und anhören zu müssen und tönte dennoch unverdrossen fort, daß ja leider ausgerechnet die dümmsten bürokratischen Kräfte recht schnell die Oberhand gewonnen hätten, in der DDR, und das Falsche belohnt, das sei natürlich sehr schade und große Scheiße gewesen, das hätte man im Westen als Sympathisant der Idee eines sozialistischen Staates auf deutschem Boden lange nicht wahrhaben wollen und sich vieles aus der Situation der Schwäche und Bedrohung halbwegs zu erklären versucht usw., und tatsächlich auch gedacht: der Hauptteil der Menschheit ist noch nicht so weit, deswegen muß man ihnen wahrscheinlich ein bißchen loshelfen oder so –

Da verzog der Greis angewidert das Gesicht und humpelte, so schnell er es vermochte, hinfort. Nein, sie nickten beide bedächtig und sagten, sie hätten gerne noch länger geredet aber müßten nun zum Zug. Da kamen schon die nächsten an den Tisch, Jüngere. Sie hatten sich die I-Pods vom Roger Bürgel geliehen, grüßten sehr freundlich und wollten auch gleich losreden, „Sie haben aber einen schönen Ausblick hier!“, das stimmte wohl. Aber sie waren mir zu verwestlicht, verwest, sahen aus, als kämen sie aus Cuxhaven und konnten ihre sicher sehr interessanten Meinungen über schöne Gadgets gern für sich behalten.

Ich ging dann erstmal in die Neue Galerie, da war es warm und dunkel. Wie gesagt, die Kunst selbst ist nicht so wichtig gewesen, hat sich auch nicht gegenseitig verstärkt, wie behauptet bzw. geplant. Eher gegenseitig noch das Wasser abgegraben, das eröffnete aber wieder den Blick, bzw. das Empfinden für die gesamte Vagheit der Situation und da konnte ich mich einfach stundenlang dran freuen, auch an den Mienen derer die sich betrogen fühlten, hier um den intensiven Kunstgenuß gebracht wurden, weil ihnen die Präsentations-Krücken, an die sie sich gewöhnt haben und ihnen die Kunst als Kunst ausweisen, vorenthalten wurden, schon weil alles so durcheinander ging: Das ist doch alles nichts! hatten sie auf der Stirn stehen. Eine Zumutung. Diese Müllhalde. Richtig sauer waren die.
Auf euch selbst zurückgeworfen zu sein, das schmeckt euch natürlich nicht.
Wer will es euch verdenken.

Zu sehen aber wie die unterschiedlichsten Leute wegen der Kunst im Namen der Kunst zusammenkommen in der komischen Bundesrepublik Deutschland der Gegenwart – so fremd und unbegriffen ist mir anscheinend die Bundesrepublik Deutschland der Gegenwart, daß ich nicht mal weiß, ob es überhaupt noch Bundesrepublik Deutschland heißt, oder mittlerweile nur noch Deutschland – und sich Zeit nehmen und sich wirklich bemühen was zu begreifen und nicht checkermäßig da durch rennen – da laß dich ruhig nieder, diese Vermöchlichung als gesellschaftliches – als gesellschaftskonstituierendes Element hätte ich fast gesagt, kann man gar nicht hoch genug schätzen.

Weiter:
Das Problem mit der DDR, das Problem mit der Vorsicht, der Äußerung, das Problem der Anmaßung: wenn ihr es nicht tut, und wir es nicht dürfen, was soll man da machen? Je mehr ich über die DDR lerne, desto verlogener und verkorkster, vollkommen grauenhaft, aber auch gleichzeitig vielfach komplizierter kommt es mir vor.

Die Schauspielerin Angelika Waller wurde gegen Ende der Diskussion zum Kurt Maetzig Film Das Kaninchen bin ich, 1965, verboten, mit Zustimmung von Maetzig, noch gefragt, ob sie Das Leben der anderen gesehen hätte und was sie davon hielte. Sie war sehr zögerlich und sagte dann: n-nicht so gut. Warum? Weil man die Sache denen überlassen soll, die davon betroffen waren und sind und nicht denen, die keine Ahnung haben. – Ja, aber wenn sie es nicht tun, bzw. warum tun sie es nicht, zu frisch?

Ja, kann sein. Verwickelt, verstrickt, verletzt, auch wie der Mühe noch Kapital geschlagen hätte aus der Sache mit Jenny Gröllmann – das sei alles so – unappetitlich, war vielleicht das Wort, da möchte sie gar nichts weiter zu sagen.

Bald mehr auch darüber.

 

14 Reaktionen zu “Das 110jährige Ehepaar aus Dresden-Neustadt”

  1. gurke

    Hast Du jemand gefunden, der mit dem Auto fährt? würde auch gern mitkommen, wenn noch platz

  2. admin

    nein leider nicht.

  3. gurke

    na denn zuhause sein und fleissig. berichte bitte falls Du doch hinfährst

  4. alleine irren.

    ich bin noch zwei minuten wach, diese minuten möchte ich gerne nutzen, um Sie zu grüßen und den fleiß zu mindern und zu preisen in einem atemzug. beide haben reserviert. gleich gehen sie aufeinander los, so ist das in den atemzügen, in diéser saison. überfüllt. aber irgendwo auch herzlich.
    ps: war in barcelon. kann ich nur empfehlen. vom kosmos her. vom mikrokulturellen kosmos her. plus: werde mir schönere socken kaufen. kann ja nie mit gutem gewissen die schuhe ausziehn, sah gestern jemand, der dies konnte. daher der entschluss.

  5. alleine irren.

    huch wo isses denn hin? (nach diktat vernickt)

  6. alleine irren.

    kommt wieder nicht an. und die zwei minuten: schon vorbei!! muss mich verabschieden. mit besten grüßen – bald ist weihnacht. ich irre mit vielen. ganz traditionell.

  7. alleine irren.

    aha, eine verschwindensmaschine! super. da kann ich dann ja noch alles mögliche reintun. zum beispiel:
    ZWEIFEL; ZWIEBELN; ANGST! ZWEIFEL; ZWIEBELN; ANGST! ZWEIFEL; ZWIEBELN; ANGST! ZWEIFEL; ZWIEBELN; ANGST! ZWEIFEL; ZWIEBELN; ANGST! ZWEIFEL; ZWIEBELN; ANGST! ZWEIFEL; ZWIEBELN; ANGST! ZWEIFEL; ZWIEBELN; ANGST! ZWEIFEL; ZWIEBELN; ANGST! ZWEIFEL; ZWIEBELN; ANGST! ZWEIFEL; ZWIEBELN; ANGST! ZWEIFEL; ZWIEBELN; ANGST! ZWEIFEL; ZWIEBELN; ANGST! ZWEIFEL; ZWIEBELN; ANGST! ZWEIFEL; ZWIEBELN; ANGST!

    und, mach ich senden, sindse weg! das solltense sich paten-paten-paten-tiern!

  8. tip für heut nacht

    männersocken falke femili – ich sach nur hääärlisch!!!

  9. admin

    Offenbar landet jeder Kommentar neuerdings erstmal im Müll, weiß nicht wieso. Ich komme vom Geburtstag meines Onkels Putzi, im Hallo-Auto vom segensreichen Detlef Kuhlbrodt. Auf dem Land (Schmittseifen) eisekalt und klar, zurück dichter Nebel nach Wiedereintritt in die Kölner Bucht. Bei jedem Himmel-, bzw. Draußen-Foto denk ich jetzt automatisch, das ist ein DK-Foto, eigentlich fast bei jedem Foto. Auf der Feier traten Mutter und ihre Schwestern als Jakob-Sisters auf. Kam ziemlich gut hin.

    Der Freund meiner Mutter fragte, ob ich jetzt auch so eine Plakette am Auto hätte, die bräuchte man doch jetzt. Ich weiß nicht. Sone Plakette, weißte doch. Nee, ich krieg irgendwie gar nichts mehr mit. Ist ja auch nicht mein Auto. Hast du denn Winterreifen drauf? Weiß ich nicht. Ich selber war scheinbar schwerhörig geworden über Nacht, aber meine Verwandten scheinbar auch. Die Unterhaltung war etwas zäh. Auf dem Weg von der Wirtschaft zum zugefrorenen Auto bin ich ausgerutscht und hingefallen, aber nicht so schlimm.

  10. admin

    Ich schwöre, ich lese den Artikel erst jetzt.

    und jetzt den und dann raus in die Sonne

  11. admin

    Mensch da steht eigentlich alles drin

  12. ritter

    ich war glaub ich einmal in schmittseifen, und wollt nie wieder hin, das ist ja wohl so eine art kalt und nasses guantanamo in bergen belsen, sei froh das du nur hingefallen bis. du hättes tot sein können oder verückt. ich habe wieder mit dem laufen angefangen un dem kochen auch, für die kinder. das mit der ddr wird überbewertet schmittseifen liegt heute noch in der ddr wie eigentlich das ganze oberbergische, da kanste dir zwar alles kaufen aber weiß nich warum un wofür.
    die meisten sind doch bekloppt, da brauch man den fehrnsehn gar nicht anmachen, das weiß man doch und nur weil man dazu verdammt is herdentier zu sein un sich immer wieder an den anderen reiben muß brauch man sich trotzdem ja nich wundern. lebe einfach als bekloppte unter bekloppten.
    schmittseifen der name sacht doch schon alles.
    ich brauch noch ein schönes foto fürs wohnzimmer
    ritter

  13. admin

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    “(…) Eine der durchgeknalltesten Pollesch-Aufführungen basiert auf dem Stasifilm Das Leben der Anderen. In weißer Bluse und schwarzem Kostüm spielte Rois den Regisseur Florian Henckel von Donnersmarck. Gemeinsam mit Pollesch stellt sie die Frage der Erzählerposition: Was sind das für Leute, die meinen, von den anderen erzählen zu müssen, und ihre eigene Position ausklammern? „Wir komischen Schlesier mit unseren Hochöfen“, sagt Rois und reckt sich zu imaginärer Donnersmarck-Statur, „wir können unsere Geschichte nicht erzählen, die interessiert niemanden. Also muss man was von den gepeinigten Kommunisten erzählen!“ Eines Abends sei Donnersmarck mit seinem Clan in die Vorstellung gekommen, sagt Rois. Sie kneift die Augen zu und sieht für einen Moment aus wie John Wayne, der zum Duell geht. „Super. Vierzig Donnersmarcks! Die sahen alle ähnlich aus. Man konnte die sofort im Publikum erkennen. Diese gesunden, fleischigen Menschen in ihren sauberen Jeans. Diese robusten Ichs, die alles niedertrampeln mit ihrem gesunden Realitätssinn.“ (…)

    * Katja Nicodemus
    * 24.12.2010 – 09:11 Uhr

  14. admin

    Kurt Maetzig https://www.youtube.com/watch?v=4e4msl2fvX8

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