Karsamstag

Karfreitag war früher, noch vor 15, 20 Jahren?, wirklich ein stiller, eklig heiliger, kühler feuchter Tag, das ist leider vollkommen weg. Ein ganzer Tag im Inneren des Isenheimer Altars eingesperrt, der härteste Tag im Jahr.
Nur so komische Musik im Radio. Im Fernsehen weiß ich gar nicht mehr.
Das Fernsehen sendete den ganzen Tag eine feuchtgrüne Tafel und eine Stimme sagte alle 5 Minuten: Seid bitte still und lacht nicht, Herr Jesus stirbt.

Samstag das bäurische Osterfeuer mit Bier und Schnaps und 30 Meter hohen Flammen, brennende Einbauschränke. Sonntags draußen Nester suchen, 20-30 extremst hart gekochte Eier mit geäderten Eiweiß spritzen, Jesusfilm und Quo Vadis. Astrein.

Gestern während des Wortgottesdienstes: das sind ja gar keine „lieben Leutchen“, die in den hohen Dom zu Köln gehen, wie man das noch so halb annimmt, das sind ja in der Mehrzahl beinharte Stumpfköpfe, die sich untereinander auch erkennbar nicht mögen (und für sich sein möchten, mit ihren Partnern natürlich. Immer mindestens zu zweit, alleine nur die — Komischen.)

Die Unzivilisiertheit von Leuten, die nur sich und höchstens ihre (Bluts)-Verwandtschaft kennen und kennen wollen, wo sich so was eingeschliffen hat, was sie nicht mitkriegen, keinen Überblick haben, Blick auf sich selbst schon gar nicht, auch durch ihre Jahresurlaube und Stadtreisen nichts lernen wollen oder können.
Sie bleiben sich und ihrem Stumpfsinn treu bis zum Schluß und das finden sie auch gut, sozusagen konsequent. Das Über-Heer der Doofis bevölkert zu ca. 80 % den Domus, aber warum auch nicht, sie sind ja sonst auch überall. Reichlich vertreten.

Einmal kam ein kleiner korpulenter Bub gemessenen Schrittes aus dem Chor nach vorn und sprach singend einen Satz einer Magd, um dann wieder gemächlich, gemessenen Schrittes abzuziehen, zurück zu den anderen, das war ganz gut –
Und manche machen ja sehr mit, Ältere, knien die ganze Zeit, versuchen in sich etwas heraufzubeschwören, voller Inbrunst, oder jedenfalls die Einkehr der Inbrunst in ihren Leib sich sehr zu wünschen scheinen. Die aufgehen wollen. Ich bin gekommen es zu studieren und zu verstehen. Aber finde dann die Veranstaltung so ungelungen, die Aufführung so mies, daß es mich ablenkt, immer wieder. Daß ich so sauer werde, daß ich nicht mehr gut aufnehmen kann! Mangelhafte Hingabe.

Ich dachte beim – echt albernen – Vorsingen des Leidensweges Jesu daran, wieviele hundertmillionen Leute seit Jesus und vor Jesus einen viel schrecklicheren Leidensweg unverschuldet auf sich zu nehmen hatten bis zum Tode, ich versteh den ganzen Aufstand nicht. Für die habter keine Träne übrig! weint ja sowieso höchstens um euch selbst. Kreuzigen war doch an der Tagesordnung über Jahrhunderte. Jesus von Nazareth ist ja nichtmal besonders gefoltert worden. Außerdem hat Gott selbst diese Sache doch so eingefädelt und genau so, wie sie passiert ist, auch gewollt. Also was soll das ?

Es ist immer wieder wirklich erstaunlich, wie die Sache sich so auswachsen konnte. Obwohl man doch an jeder Stelle merkt, wie mühsamst das aufrechtgehalten werden kann, eigentlich ja gar nicht geht, aber es läuft trotzdem irgendwie, wie? Der Glaube kittet jede noch so fragwürdige Stelle, wie, warum? Wenn man sich überlegt, wieviele Kirchen in der Stadt Köln in Betrieb sind, daß im Dom täglich an Werktagen, ein ganz normaler Werktag im Dom sieht so aus:

6:30 Heilige Messe

7:15 Heilige Messe

8:00 Kapitelsmesse

9:00 Heilige Messe

12:00 Mittagsgebet

18:00 Rosenkranzandacht

18:30 Heilige Messe

Ob das Christentum verschwände, wenn man ihnen das Geld entzöge?
ich glaube fast: so einfach könnte das gehen.

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2 Reaktionen zu “Karsamstag”

  1. frau braun

    Sehr geehrte Frau Eichwald,
    Ich kann leider nicht genau sagen warum und auch leider nicht in die Tiefe gehen, aber ich finde Ihren Text umwerfend. Von den „feuchtgrünen Tafeln“ über das „geäderte Eiweiß“, die „bäurischen Feuer“ und die „Komischen“… Das habe ich so wohl selbst erfahren, aber nie irgendwo gelesen. Komische Tiefe und lichte Höh‘.
    Ich freue mich sehr, dass ich diese Seite gefunden habe!
    Alles Gute!

  2. admin

    vielen Dank! Sehr nett

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