Bonn: Ehemalige Abgeordnetenappartments

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(Bild: Publikum und ein Werk von Mirko Tschauner)

Auf dem Weg nach Bonn nahm mich durch den Einsatz einer kommunikativen Studentin ein nach bereits vor längerer Zeit konsumiertem Branntwein riechender, ca. 50jähriger Mann in 3/4-Hose „auf seine Karte mit“ wobei ich 6.10,- einspar’n konnte. Das stellte mich vor ein Problem derart, daß ich die ganze Fahrt etwas steif in der Nähe des Mannes saß, ihn scheel beäugte und hart überlegte, in welchem Verhältnis ich jetzt zu dem stünde, bzw. stehe, ob ich jetzt meinerseits irgendwelche Verpflichtungen eingegangen wäre, und seien sie noch so subtil. Welcher Natur? Wenn jetzt ein Kontrolleur gekommen wäre, hätte dann zum Beispiel ich sagen sollen: ich reise mit dem Herrn hier. Oder: auf der Karte des Herrn? Oder hätte der Mann sagen müssen: Ich nahm diese Frau mit? Ich nahm sie an, an Kindes statt. Ich nahm diese Frau an, nach den Gesetzen der Gastfreundschaft.
Zum Glück kam keiner. — Am Fahrtende bedankte ich mich artig für die Mitnahme, erst verstand er nicht, hatte es wohl schon vergessen, dann winkte er freundlich ab. „Ach so, ach was!“ — Eine gute Sache das Mitnehmen, aber auch leicht .. ich weiß nicht was, irritating. schwatz schwatz schwatz
Der Weg vom Bahnhof zur U-Bahn: Eigentlich tat mir Bonn urplötzlich sehr leid. Man sah die Verkommenheit, die sich durch plötzliches Verlassenwerden einstellt. Haben euch ganz schön hängen lassen und das sieht man euch an, eine Speckigkeit in den Ecken, Abgehalftertheit, „lohnt-ja-doch-nicht“- Miene. Was ist euch geblieben? Der Bundesrechnungshof? Das Auswärtige Amt? Und dazu die ganze Freitagabendaffenstimmung. Immer noch blond, immer noch bauchfrei, Stiefelchen, Ringelhemdchen und immer noch jene rätselhaften Extrem-Jeanswaschungen usw. Für Guggenheim und Rock-Ausstellung war zu spät, also zu den ehemaligen Abgeordneten- Appartments Heussallee, wo Bar Ornella ca. 10 Künstler hin eingeladen hat.

Das Beste war wie so oft keine Kunst, sondern wahrscheinlich so gekommen, von sich aus: das unbekannte Papp-Grab des unbekannten Papp-Kameraden, das sich so anrührend in die Wiese schmiegte.

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Ich mach jetzt keine Besprechnung, aber soviel darf verraten werden: Gips scheint das Material der Saison, sowohl im Haute Couture als auch im Pret-a-Porter-Segment.

Als ich reinkam huben gerade die sympathischen Coloma zu spielen an, technisch sehr versiert und ohne Microphones, weil da so gute Akustik herrscht. Auch der Senger singt so g u t und soulig — mir wurde schlecht von dem Gesülze. Tja. Die Leute machten wu hu hu hu wouh wouh wouh, es gefiel ihnen ausgezeichnet. Mir hat gut gefallen Gerda Scheepers kleiner schwarzer Kopf mit Kragen, in den Aehren reingesteckt waren. Leider habe ich kein Bild davon, warum nicht? Ich dachte ich hätte eins gemacht.

Mich beschäftigte weiter die Frage: Wegen wem wegem wessen geht man wohin wozu?

Es war nicht zu lösen an diesem Abend und dann ging ich raus, spazieren.

Euch meine doofe Fresse ersparend.

2 Reaktionen zu “Bonn: Ehemalige Abgeordnetenappartments”

  1. schaum

    einmal dacht ich, bonn sei weg. letztes jahr, visum für moskau. nie ging in bonn jemand ans telefon, ich variierte alle durchwahlen, versuchte was andres, mailte und faxte, wollte selbst und in person vorsprechen, stellte fest: züge halten da auch nicht mehr. daraufhin fällte ich obige vermutung und beauftragte eine hamburger agentur, hamburg gab es damals nämlich noch, die hatten auch telefon, sogar. daher: gut, dass du mal nachgeschaut hast.

  2. admin

    Schaum, ich bin zu schwach zum antworten. Schreibe er mir noch etwas

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