Michaela Eichwald

Lesung im Braunschweiger Kunstverein 4.11.2005, 19 Uhr

 

 

 

Ausschnitt aus „Kampf um Relevanz“

Berlin 2005

 

                                                                                                                  „De weise man tut nit horten

                                                                                                                  De mehr he gebet, de mehr he hat

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                (Volksmund)

 

 

5.7.05

Ich sehe aus dem Fenster und warte auf den Anruf der Firma Zyklop, die das kaputte Auto abholen und verschrotten soll. Sie geben kein Geld, aber: sie nehmen auch keines. Immerhin.

Vorher hatte ich mindestens 5 Autohändler angerufen, die in ihren Anzeigen vollmundig verkündigten, sie nähmen jedes Auto, Zustand egal, Alter egal, Abholung, Abmeldung alles umsonst, noch Geld drauf usw.

Aber sie hatten einfach gelogen.

 

FRUSTRATIONSTOLERANZ

 

Heute hat die SPD ihr Wahlmanifest bekanntgegeben, anschließend Pressekonferenz mit Müntefering und Schröder. Ich fragte mich gerade, ob wohl Rainald Goetz noch zu sowas hingeht, da seh ich ihn da auch schon sitzen bei phoenix, ganz grau oder grau gefärbt mit mächtig vortretenden Kieferknochen. Prüfend blickt er den Bundeskanzler an, als dieser blumig spricht. Des Bundeskanzlers Lächeln erfriert. Zu einer Maske.

Er läßt die Hand sinken und weiß: Rainald Goetz´ scharfem Blick entgeht nicht die kleinste Fadenscheinigkeit. Bundeskanzler und auch Parteivorsitzender sollten doch dem Volke nicht länger etwas vormachen und stattdessen die Chance nutzen, sich zu erleichtern und endlich aufrichtig zu sprechen.

Es ist doch reine Illusion zu glauben, etwas cashieren zu können, wo Rainald Goetz nicht müde wird, erbarmungslos seinen schönen salzigen Finger an der schwärenden Eiterperle der Lüge zu reiben, bis sie endlich platzt

naja

 

Ich warte einfach auf den Anruf des Schrottwagenfahrers.

 

Ein Schiff, das sich Gemeinde nennt, fährt durch das Meer der Zeit.

 

Die Firma Zyklop wird um 14.30 am Unfallwagen sein.

 

16.40 Das war jetzt ein bißchen traurig. Mit den Nummernschildern unterm Arm bin ich durch die Straßen gegangen. Trübheit des Tages. Der Mann der Firma Zyklop war schätzungsweise 28 und stand gut in seinem Fleischkleide. Ich trat das Rad grade, damit es nicht ganz quer zu den anderen stand, der Mann gab Vollgas und es stank total nach Gummi. So daß einem schlecht wurde. Es war schon ein weißer Mazda 626 auf dem Fahrzeug, den Mazda 323 nahm er auf die „Gabel“ und kettete die Vorderräder an. Ich fragte den Kollegen, wieviel wohl seiner Ansicht nach eine Reparatur kosten würde, der meinte: vierstellig! Ich: echt? – Ja, klar!. Neuer Kotflügel, Tür, Rad, Schürze, Schweller (?), Stoßstange, Windschutzscheibe, Lenkung.

 

wo ich den abmelden solle? – Er überlegte hart. Bei ihnen in Brandenburg nur beim Verkehrsamt, aber hier in Berlin vielleicht anders, andere Länder – andere Sitten, lachte er hell auf, vergnügt über seinen eigenen plötzlichen Witz. Er gab mir die Hand, aber sah mich nicht an. – Was hat er vor?

 

Ich zog dann über die Behmstraßenbrücke zum Gesundbrunnen-Center. Überall jetzt die Center und „Arcaden“. In Berlin gibt es nur Aldi-Nord, der versoffene, verkommene, ein bißchen nach Talg riechende kleine Bruder vom herrlichen Aldi-Süd. Ich kaufte dort fast nur Scheiße. Würstchen, Schokolade, Eis. Am Westteil war eine nach einem riesigen nassen Hund müffelnde Parzellengartensiedlung, die die reinste Bösartigkeit verstrahlte. „Am Sandkrug“ e.V. 1925 heißt die Siedlung, kein Durchkommen, überall Hausordnungen und laminierte Hundewarnschilder („Arko ist in 2 Sekunden am Törchen – und SIE??)“, dicke Arschlöcher,  teuflische Kurzhaarschweinefrauen verteidigten die Parzellen zusätzlich.

Zurück eben wieder über die Bösebrücke, ehemals Grenzübergang und laut Eigenauskunft der erste offene Übergang in jener Nacht 1989.

Ich stopf mich voll mit den gekauften Süßigkeiten. Sie schmecken gut.

 

Pink Floyd and his Band

 

Der Justus hat mir „Wörter, Sex, Schnitt“ von Brinkmann aufgenommen. Ich kann mir nicht helfen, ich kann immer nur Rüdiger Safranski aus Rolf Dieter Brinkmann hören. Aber es ist ok. Sympathisch, wie Safranski mir ja auch sympathisch ist, im Grunde.

Die geistig interessierten Männer mit den kurzen dicken Zungen.

Ich würde dem ganzen gerne die Krone aufsetzen und selber dieses Jahr Rolf Dieter Brinkmann Preis Gewinner werden. Als alte Kölnerin, nunmehr seit 18 Jahren Kölnerin, gute Kölnerin und auch  Berlinerin, gute Berlinerin. Gute Berlinerin vom Gesundbrunnencenter, Humboldthainerin,

ich sollte Gedichte schreiben

 

da ist man viel schneller fertig

                                                                                                                  nur ein paar Worte

 

                                                                                                                                                                                                                                    im Raum

 

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                          wirken lassen

 

Echo

d  échecs

 

der gelbe Wein der Sonne

 

Die Nacht der reitenden Leichen (The Exploited)

 

the wise man does not hoard

the more he giveth the more he hath

 

                                                                                                                  waid

                                                                                                                                                                                                                                    weid

                                                                                                                  wund

                                                                                                                                                                                                                                   

 

                                                                                                                  starre

 

Durs Grünbein

 

der Brinkmann nervt ein bißchen mit seinem „ein atemloses Sprechen“, -- Alter, was willst du eigentlich? denk ich -- was wolltest Du nur?

Ja – Ich möchte so gerne die Gegenwart abbilden, irgendwie, auf der Suche nach einer zeitgemäßen Technik, liebe Frau,                                                                                                                  - – ja

                                                                                                                    – ich ja irgendwie auch

„B-l-u-m-e-n-k-o-h-l“ sagt Herr Rolf Dieter Brinkmann jetzt, auch Polke, das hat mir immer so gefallen: „Blumenkohl – was ist das?“ das hab ich sofort verstanden. Damals.

Brinkmann sagt jetzt, sein eigenes gemütliches Onkel-Safranski-Gefasel unterbrechend, schneidend, höhnisch: „Blumenkohl! Blumenkohl! Rosenkohl! Wörter!“

Ich habe aber tatsächlich, und, bitte, k-a-n-n  d-a-s  d-e-n-n  e-i-n  Z-u-f-a-l-l  sein?? ich glaube: ja!

ich habe heute wirklich Blumenkohl gegessen zum Abendbrot. Und gleich esse ich noch mehr, roh!

Jens hat mir in seinem Fantasy-Garten mit mannshohem Oportulak und Antiblumen das in der FAZ zitierte gegen Köln gerichtete Stückchen von Brinkmann vorgespielt, wie ekelig und piefig Köln sei mit Böll und Sülz und Kalk, künstlich aufgeregt hat sich Onkel Brinkmann da, aber es klingt trotzdem gut, es stimmt alles gar nicht, ist aber trotzdem wahr und wir haben ziemlich gelacht. Hanka und Gerlinde, aufmerksam geworden, wollten daraufhin auch eine MP3-Kopie von sexy Sex Schnitte.

Wer will es ihnen verdenken?

Typisch für RDB und seine Zeit auch solche Sätze wie: die Ehe verkrüppelt einen in diesem Staat, Krüppelstaat Ehe, Krüppelstaat Staat. Damals wollte der Staat den Einzelnen noch zerbrechen, unterdrücken und verkrüppeln. Heute hat er ganz andere Sorgen. Er kann sich darum gar nicht mehr kümmern, hat es ganz vergessen, den Einzelnen kaputt zu machen. Kommt einfach nicht mehr dazu. Ergibt sich jetzt mehr so von selbst.

 

Nun aber eine süße Szene über das Minus bei der Stadtsparkasse Köln und die große Frage, wie man es tilgen könnte.

[und jetzt wird natürlich geschimpft auf die sogenannten Massenmedien. Medien-Schelte Anfang der 70er. Wir schmunzeln selbstgefällig und tun den 1975 Gestorbenen ins Jahr 2005, da muß er stundenlang sitzen und Fernsehen sehen.

1975 war nach 6, 7 Stunden Programm auf höchstens 3 Kanälen ja schon wieder Sendeschluß, ne? Onkel Brinkmann wird Augen machen wenn er rauskriegt, daß das Fernsehen jetzt Axel Springer gehört und NIEMALS mehr endet.

…  er muß mindestens 12 Stunden dauersehen. von  18 Uhr bis 6 Uhr. Und dann fragen wir ihn mal, was er so meint.

Kannst du dir das bitte mal vorstellen.]

 

Gegenüber im Haus ist es dunkel. Ich habe da heute nachmittag eine Frau im weißen Unterhemd gesehen, ich glaube nicht, daß da eine Kulturarbeiterin wohnt, so sehen die Gardinen nicht aus. Intimitätsterror.  ich möchte das Innere des Hauses am liebsten nach außen drehen. Wie einen Socken.

Brinkmann klingt viel älter, als er gewesen sein kann bei der Aufnahme. Er war 1975 35. Von wann genau die Aufnahme ist weiß ich nicht. Aber er kann ja immer höchstens ältestens Anfang bis Mitte 30 gewesen sein, ne? Allerhöchstens Mitte 30. Kann er jeweils sein.

Ne?

Genau wie Degenhardt, der gute Penner, macht er sich natürlich auch über den „Deutschen Sonntag“ her, Duft nach Rosenkohl usw.

Aber das war ja wirklich so, der Nationalsozialismus war ja praktisch noch in Gang. Letztens unterhielt ich mich mit einem darüber, wann wohl die Nachkriegszeit eigentlich geendet wäre. Er jedenfalls sah sich als in der Nachkriegszeit Geborener mit Jahrgang 1963.

Ich glaube es kommt drauf an, wann die Eltern geboren sind. Wenn meine Mutter Jahrgang 50 ist, ein Nachkriegskind, kann ich es ja schlecht auch noch sein. Nachkriegsenkel.

 

Fenster abgehangen mit Laken, damit die anderen Insassen mich nicht sehen.

 

Krisis im Gefängnishof. Enge, Orientierungslosigkeit. Fast nur Süßigkeiten gegessen, so erklär ich mir die miese Stimmung, die Verlassenheitsgefühle, die Enge des Hofes im Kopf.

Dann raus. Leichte Sonne am Abend.

Müll weggebracht, ungetrennt. Leckt mich doch am Orsch, ich trenn doch nicht euren Müll.

Der Extra-Markt auf der Schivelbeiner Straße eine Brutstätte der Menschenverachtung. Gestank darin und urlautes, übersteuertes, ganz schlecht gemachtes Einkaufsradio. Widerlichste Anmache abscheulicher Sprecher mit widerlichen Sätzen und Worten: „saftige Grillsteaks“. Überbetonung der Leckerheit derselben. Künstliches Arschlochlachen von Ganzkörperrasierten.

Nerven-Abschürfung, Nerven-Zerrüttung, und schließlich Nerven-Zerbrechung

 

Am Nachmittag unwillig einen nicht enden wollenden DER SPIEGEL-Artikel gelesen, Titelthema „Schröders letzte Karte“. Ich fragte mich, wie die das so schnell geschrieben haben können, denn es betraf die Vertrauensfrage im Deutschen Bundestag, am Freitag. In aller Differenziertheit wurden die Reden der Auftretenden (Schröder, Merkel, Fischer, Westerwelle) resümiert und auch, was sie danach noch gemacht hätten, wo sie hingegangen sind. Man weiß ja auch gar nicht, ob es alles so stimmt. Jedenfalls habe ich vorgestern angefangen das zu lesen, dann heute morgen zweimal beim Stuhlgang ausführlich weitergelesen, dann nachmittags im Liegen, dann drüber eingepennt und zum Schluß hab ich es noch nicht mal fertig gelesen, sondern wütend nur noch überflogen um dann weiterzulesen den Schmähartikel über Oskar Lafontaine und seine sauberen Freunde von Markus Feldenkirchen. Herr Lafontaine wird in ein schmutziges Licht gerückt, Populist, der auch am rechten Rand fische, er mache alles mit, Hauptsache, sie wählten ihn. Es ginge ihm aber in Wirklichkeit gar nicht um die armen Leute, sondern wieder mal nur um sich selbst, so der Journalist.

 

[Später im Internetcafé saß neben mir einer, der kiffte so öliges Stink-Zeug und hinter mir Kinder, die ununterbrochen schrien und kriegen spielten. Meine Nerven sind sehr sehr dünn. Oder sehr sehr fein, oder sehr sehr viele an Stellen, wo sie offenbar nicht hingehören. Kopfschmerzen, Kopfbrummen

Personalausweis wiedergefunden.]

 

Wie werte ich mich vor mir selber auf?

 

Kann mich noch nicht so richtig mit jemand treffen. Habe Angst, etwas leisten zu müssen und wenn es nur die Kleidung wäre, die etwas leisten müßte. Doof. Erst muß die Kleidung stimmen, dann aus dem Haus. Doof. Und wenn man es grad mal nicht so hat oder nicht so kann oder nicht so will mit der Kleidung? wenn man überall dazwischenhängt, nicht nur mit der Kleidung, sondern überhaupt?

Auch dann soll man sich doch zeigen, aber man schlurft ja rum wie eine Köcherfliege ohne Köcher, oder mit Köcher, der nicht richtig paßt.

 

 „Zu ihrem Schutz leben die Larven in der Regel in einem köcherähnlichen Gebilde aus Sandkörnern, Muschelresten, Zweigstückchen oder Blättern, das mit Seidenfäden zusammengehalten wird.“

 

 –                                                                                                                   Das hört sich eigentlich nach einer aktuellen Mode an.

 

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                        Firma Fragil, Made in Berlin

 

Do. 7.7.05

10.15 Abschrift aus blaues Buch: Rettet das Fernmeldewesen:

Beim Warten in der Meldestelle in Tegel, Borsig-Werke.

Nicht hupen! Fahrer träumt von Borussia Mönchengladbach

Unglaublich alt komm ich mir vor.

So, als hätte ich schon Vieles                                                                                                                                                                                  

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                          verwirkt

 

Es kann sein, daß es mit der Lektüre der Seniorenzeitung „Aktiv in Reinickendorf“ zusammenhängt, die ich gerade studiert habe. Es wendet sich an die 50 – 80jährigen. Nur noch 12 Jahre und ich gehöre auch zu dieser beneidenswerten Gruppe.

Ich fand einen gültigen Fahrschein im Ausgabefach. Eine nette Geste eines Fremden an einen Fremden. Dann fuhr ich nach Tegel durch das Grüne, naß draußen, leichtes Gewitter. Voller Sommer, voller Wildwuchs. Nur ich verloren und so alt sitze ich bei der Polizei im ersten Stock.

Der Warteraum ist angenehm groß und angenehm gefüllt mit Berlinern, die etwas an- oder abmelden wollen, meist sich selbst.

Auch an Bonnies Ranch vorbeigefahren. Ein Glück muß ich da nicht aussteigen und da wohnen. Kann schnell gehen, aber ich rechne eigentlich nicht damit.

 

Ich schaue Rudis Tagesshow und benehme mich schon so, wie richtig alte Leute. Man freut sich an Dingen, die man aus der Jugend kennt und versteht, die gegenwärtige Realität dagegen wird als verstörend und ungut aufgefaßt

 

Mittwoch den 13.7.05, 10.00

FREIES PENSUM

Ich bin so dankbar.  Arbeit geht gut voran. Trau mich jetzt ein Glück auch wieder mit dem Fahrrad zu fahren, weit weit. So mueßte es immer sein, so mueßte es sein koennen. Man haette sein freies Pensum, machte, was kommt, was da ist, was geht, und kriegte dafuer  e t w a s  Geld. – Ist das zuviel verlangt?

Wahrscheinlich: ja. Jedenfalls angesichts der vielen Millionen, die um die bloße Aufrechterhaltung der biologischen Prozesse kaempfen und an „Ausdruck“ nicht zu denken ist

 

Da ich sehr sparen muß, war ich in 4 verschiedenen Läden, nur um Haargummi zu kaufen. Aber das macht ja nichts, ich habe ja Zeit und Lust! Die Lust des sensitiven Menschen. Feuchtes Toilettenpapier, Nagellackentferner, Kaffee, Wattestäbchen, alles so günstig wie nie

 

Wenn ich pissen gehe hab ich Angst, das beschallt den ganzen Hof. Auch was die da unten für einen breiten Sarg bauen, versteh ich nicht. Beunruhigend. Jeden Tag um kurz nach 8 fangen sie an zu sägen und zu kloppen. Ein Holzding aus Brettern in einer Fantasie-Form, oben drauf eine Bohle, daran ein Wurzelwerk oder so. Kein Mensch versteht das. Daneben lädt eine Bank zum Verweilen ein. Zum Nachdenken wahrscheinlich.

Ein bißchen Odlicht-Zeug gesucht und gespeichert, scheint Herr von Reichenbach selbst erfunden zu haben, findet sich aber auch auf gehobenen Heiden- und Nazi-Seiten. Da ist einer, der meint´s besonders ernst: Gerhard Heß. Er spricht von „unserem urgermanischen Kredo“, das selbst die Jahrtausende dauernde Herrschaft des

elenden  Judengottes nicht ausmerzen konnte,

 

[Donnerstag, 21. Juli 2005

Liebe Gerlinde,

seit einiger Zeit beschäftige ich mich mit Johannes Mario Simmel. Du wirst ihn vielleicht nicht kennen, denn ich glaube, er ist ein typischer West-Autor. Seine Bücher sind in 33 Millionen Sprachen übersetzt und genießen eine Gesamtauflage von 4 Fantastilliarden Stück – weltweit.

Es sind diese dicken bunten Buchstaben mit gewissem weiblichen Schwung, die ich mir sehr eingeprägt habe in meine kindliche Seele. Kam man irgendwohin zu Leuten nach Hause, Bekannte der Eltern, sie alle hatten meist mindestens 3 auffällige, weithin prangende Simmels im Regal und vielleicht noch Konsalik (Der Arzt von Stalingrad). Schell-Atlas, Bibel. Das war´s dann. Aber es reicht ja wohl auch.]

 

Heute z.B. ist ein Tag, der die Nachteile der Hinterhofwohnsituation sehr verdeutlicht. Grau hängt der Himmel im Dauerregen unmittelbar über dem Dachfirst, kaum 2 Meter von meinem Kopf weg. Man kriegt sehr schlechte Hallus.

Dann geht ständig das Telefon und nur ein Apparat ist dran, der ruft: Hall-llooo!! und dann legt man schnell auf voll mit vollster Wut.

Dann eben klingelte sogar die Wohnungstür und man hat ja keinen Spion, ich rufe: ja!? und dann eine Frauenstimme. Ich mach auf, da steht da eine weißblonde gepiercte ganz dünne Gebräunte 30jährige, wahrscheinlich in Wahrheit 22 und sagt, sie kommt von der Firma Massi oder so ähnlich, die kennte ich doch sicher?

Nein!!

Möchte ich nicht!

Ich denk wie ein alter, verstockter Mensch: Unverschämtheit! mich so zu stören!  und schlag ihr die Tür vor der Nase zu. Wie kommt die Trulla denn überhaupt ins Haus und macht sich die Mühe, in den 4. Stock hochzusteigen. Und andererseits denk ich ja auch nach 20 Sekunden: die arme Sau. Gott, hat die n Scheiß-Job. Sich den ganzen Tag anpöbeln lassen für irgendsone Internet-Piß-Firma.

Jetzt will gleich Fetzer kommen mit seinen Farben.

 

Ich glaube an die Evolution und besonders an all die lieben Tiere. Seit ich denke, ich krieg neue, richtig gute Laufschuhe, komm ich in den alten kaum noch vorwärts, halte oft inne. Das gab mir Gelegenheit, ein Eichhörnchen aus nächster Nähe zu beobachten. Es war sehr schön gepflegt, satt dunkelrot glänzend.

Ich neidete ihm nicht nur den schimmernden Pelz, sondern vor allem das behende Bäume hochspringen. Zierlich aß es ein Gyros Pitta aus der Hand, mit Zwiebel und Zaziki und musterte mich durchdringend. – Mach dir nichts draus, ich habe auch manchmal Angst zu sterben, oft aber auch nicht. Als ich heute gesehen habe, wie meine Fingernägel schon wieder gewachsen sind ohne eigenes Zutun, mußte ich spontan lachen und dachte: es ist gut.  Sela.

Die Keitels haben mich früher bald verrückt gemacht mit ihrem Satan und der Hölle. Ich dachte, es brauch gar nicht viel passieren, vielleicht nur aus Versehen eine "Sünde" und schon ist man für immer geliefert. Auch daß der Gott alles jederzeit sähe war mir sehr unangenehm. Ich habe ständig bei jedem Gedanken gedacht, daß der hoffentlich keine Sünde darstellt, war aber auch ständig überfordert damit, das zu entscheiden.

Es war schlimm! Ich habe auch nicht vermutet, daß dieser Gott, den man den "lieben" nennt, tatsächlich lieb wäre, sondern im Gegenteil: ein ganz harter Hund
Ach so,

Ich hab Kopfschmerzen und schlecht geschlafen.

 

UDO!!! genau, die Ausstellung im FOREVER fand ich deswegen interessant, weil ich hart daran überlegt habe, ob das jetzt ART BRUT ist oder sein soll. Und ob die ART BRUT HAFTIGKEIT vielleicht viel von dem Orte HER RUEHRT. Und WIE GEMEIN das vielleicht von mir waere -- Da bin ich ABER BIS JETZT NICHT HINTER GESTIEGEN.

ich habe jedenfalls sehr gern den schlabberigen Mantel angefaßt

Dauersturzregen hier. Es ist zum Mäuse melken. Kann nicht mal zwischendurch zum ALDI.  Ärgerlich auch, daß die EBAY-Käufe hier noch nicht eingegangen sind. Das DDR-Briefpapier, die gelben Schuhe.

 

    Eine internierte Geisteskranke verlangt jahrelang mit viel Affekt und noch mehr Schimpfen, aus der Anstalt entlassen zu werden. Es nützt nichts ihr täglich zu sagen, sie könne ja gehen, man habe ihr eine Unterkunft besorgt und bezahle ihr noch die Reise. – Man bringt sie nicht fort, aber auch nicht zum Schweigen.

 

 

Der Bundespräsident ist mir unheimlich. Er hat das Parlament aufgelöst. Ich aber könnte den ganzen Tag nur essen, Thunfisch, Ravioli, Lakritz, Kirschen

Immer noch Regen. -- Die richtig Guten, wo gehen die eigentlich hin?

 

Grade kommt meine liebe Postbotin. Ich zwinge sie fast täglich ins Hinterhaus in den 4. Stock mir ebay-Schuhe oder anderen ebay-Müll zu bringen. Sie ist wahnsinnig nett.

Die Postbotin ist um die 50, blond und zierlich und hat angeklebte Haare, vielleicht vom Schweiß, vielleicht vom Regen. Sie steigt viele Male hoch und runter und ich lieg halb bewußtlos im Bett, sehe sehr informative Filme über den Golfstrom und versuche mir alles zu merken. Die letzten beiden Nächte brutal geträumt, ich habe einem Mann einen Finger durchgebissen, ihn dann wahrscheinlich erwürgt.


Ja genau, wir und alle sollten einen Raum machen. Mal überlegen.  
Es sollte um Formen gehen, die es sich zu Leben lohnt. Man solle sich darin die Realität schön machen und darin praktisch wirken mit allem Sinn und Verstand der möglich ist und nicht auf bessere Zeiten besoffen hoffen
Dein Mullak

 

Do. 28.7.2005 „Künstlerstätte Schloß Bleckede“ ,

Dichter M. von Eichwald

***

 

(29)

ODE AN DIE HUMMELN An die lieben Hummeln

 

Ihr schönen feuchten Wollhummeln

Tut fleißig essen

Unermueüdlich stopft ihr euch voll

Ihr Saeäue

Ihr seid das Inbild der wolligen faulen Wonne

Den halben Tag liegt ihr rueülpsend im Gras

Laßt dem Menschen nichts ueübrig

Er verhungert unter eurem Gelaeächter

 

Hummeln

 

Wie schon der Name sagt

„Freunde des Satan“

***

 

 

Freunde des Satan

Hier wächst Pfefferminze, Frauengedenkmantel, Zitronenmelisse und Persianerkraut

Ich rühre es alles zu einem zähen Brei, brat es auf, . Dann reib mich einich , und  und leg mich in das feuchte Gras.

Es ist 38°C Celsius

Luftfeuchtigkeit 100% Prozent

Ich sitze in Atelier Nr. 1

Künstler Nr. 1, Ersatzkünstler No. 1

Es gibt einen Turm, wo welche hochsteigen.

3x ruft ein Mann von unten (laut): Wie ist die Aussicht?

Oben ein Junge, ein nichtsnutziger Jugendlicher mit seiner Stimmbruchstimme ebenso laut:

Waaa-aaaas?

Der Turm ist ca. 5 Meter hoch.

3 mal fragt der Mann, 3 mal antwortet der Junge: Waaaa-aaaaas?!

Sag noch einmal „was“!, sag noch einmal „was“!!

Luftfeuchtigkeit.

Mit Muddi telefoniert. Sie ist mit ihrem Partner nach Leipzig gefahren. Um 11 Uhr waren sie gerade am Völkerschlachtdenkmal angekommen, welches sehr gut sei.

 

 

Neben der Toilette liegt eine deutsche und eine englische VOGUE

ein bißchen naß geworden

GIVING   YOU   10   YEARS   OF   YOUR   SKIN   BACK

                                                                                                                                                                                                                                    

                                                                                                                  saeue

 

 

***

 

Froesche sprangen in den Nesseln

Tausendfach

Riesengroß in jeder Farb

Jeden Alters schwer und naß

In der Hitze klebten meine Beine zamm

Zu einem einzigen Faß

 

Was drinnen war?

Man rät es nie

 

***

 

Die Leute von Niedersachsen

Taugen nicht viel

Aus dummen boesen Augen

Verfolgen sie mich

In den Geschaeften

Alles teuer, verblichen, und ohne Nutz

 

***

 

 

Zwei Beine wie aus einem Stück

Wer sind wir, daß wir dieses sagen können?

 

                                                                                                                                                                                                                                    ***

Feucht ist der Weg auf dem man ausgleidet

                                                                                                                  und

Rainfarn ist eine sehr beliebte Pflanze

In den Elbtalauen

Sie ist giftig und aus ihrem Gespritz

Läßt sich ein Sud zur Abschreckung herstellen

Das Wasser der Elbe ist braun mit gräueligem Schaum

Mit meinem Darm stimmt etwas nicht

Wahrscheinlich okkultes Blut im Stuhl

 

Die Theorie verselbständigt sich

und immer grotesker werden ihre Behauptungen

Ich muß lachen ob ihrer frechen Lügen

Ein Bild mit einem Hund

Ein Bild mit einer Hand

Der Hund schaut deutlich aus dem Bild seitlich heraus

Die Hand lacht den Betrachter an

Drunter im Text wird einfach geschrieben: „Der Hund wendet seinen Blick zum Betrachter hin. Eine Hand ist nicht zu sehen.

So machen sie es dauernd. Sie haben ihre „Meinung“ und tun so, als fänden sie dauernd Belege für ihre Super-Meinung. dabei wird gebogen und gebrochen

So machen sie es dauernd. Sie haben ihre „Meinung“ und tun so, als fänden sie dauernd Belege für ihre Super-Meinung. dabei wird gebogen und gebrochen

 

Egal.

Ich habe versucht, den Fernseher zu betätigen, aber es gibt kein Antennenkabel.

Am Wasser unten steht eine steinerne Bank, gewidmet einem Ehepaar.

Die Gelstifte bestehen aus Abfall (99 %) und Gel

 

Judith Hopf hat eine independent DVD von einem thailändischen Filmemacher. Ich nehme was da ist.

Wie ich in der feuchten Hitze

Auf dem Bett liege

Erscheint meine Wampe seltsam erleuchtet

Vom schwarzweißen Fernsehlicht

Was ist das?

Ich kann es nicht fassen

und greife in den weichen Speck hinein

und kann mir nicht erklären

Woher er kommt

Noch woraus er besteht

Wieso hat Gott das zugelassen?

Irgendwas stimmt hier nicht

 

Gleich 22 Uhr

Regen hat eingesetzt

Mehrere Mofafahrer fahren mit typischem Getöse und Genöle

durch die stillen Auen

ääääm ääääm ääääm

äääääääääm äääääääm äm äm äm äm äm äm äm äm äm

ääääääääm äääääm äääääm

sie rufen „hey“, „ey“ und „warte!“

Eine ältere Frau steht am Fenster, schaut ins Dunkel, schüttelt den Kopf  

 

Nach dem Mittagsschlaf trat ich um 19 Uhr vor die Tür, da saß eine Frau vor dem Atelier Nr. 3 und erschrak. Ich muß herzlich lachen und stelle mich vor: Hallo! Nicht erschrecken! Ich heiße Manfred Tellenkamp und bin Modezeichner aus Erfurt!

Hoffentlich müssen die Mofafahrer bald ins Bett. Hält ja keine Sau aus.

Mit dem Fett habe ich folgenden Plan: ich werde es morgen früh einfach abscheiden.

Zusätzlich zum Fett bin ich auch noch voller Luft, was mich optisch natürlich noch dicker erscheinen läßt.

Mann, dDie Mofafahrer können einen machen mich echt fertig machen. –

Jetzt sind sie weg, so plötzlich wie sie gekommen sind.

War alles nur ein Traum?

Ich möchte so gerne richtiges Fernsehen und nicht independent-Filme von Migrantinnen, so gut sie auch sind.

Gleich 23 Uhr

Alle Fliegen erschlagen bis auf eine

 

Gereiztheit

 

Blähungen

 

Ich sitz hier so auf dem Präsentteller

Absolute Stille

 

Hart

[Ich geh jetzt hoch und lese Cassavetes, ich glaub, ich kenn keinen einzigen Film von Cassavetes.

Aber das Buch soll so gut sein, sagen sie.]

 

 

 

 

Freitag, 29.7.05

Schlecht geschlafen, feuchtes Bett, welches ein bißchen nach Pipi roch. Wieviele Künstlergenerationen wohl hier schon eingesickt haben, überlegte ich. Dann kamen die Mücken, doch keine stach mich offenbar. Morgens um 9 im Dorf gewesen, da war ein kleiner Markt. Metzgerei und Gemüse, viele Leute zwischen 50 und 80, paar wenige unter 20, ich scheine meine eigene Generation nicht zu erkennen. Fast in jedem Haus unten ein kleines Geschäft, Ziegelhäuschen sehr gepflegt, teilweise krankhaft überpflegt.

Die Leute grüßen nicht, es ist eben doch Kleinstadt und nicht Dorf. Auffällig viele Apotheken, fand keinen Zeitungsladen. Dann schließlich beim Bäcker BILD Hamburg und Lüneburger Landeszeitung geholt. Beides minderwertige Zeitungen.

Dem Bauern Malven abgekauft.Was machen meine Vorhaben? Die Materialberge schwellen an.

 

Eine Gegend wo noch gern „Owner of a lonely heart“ gehört wird. So schallt es weit über den Deich.

Ist es R.E.O. Speedwagon?? Nein, die Gruppe YES ist es.

Hier gibt´s bestimmt auch noch Mittagsruhe. Morgens um 9 kauft man sich alles ein. Dann Haushalt, dann kochen, dann essen, dann ruhen und um 15 Uhr geht alles wieder von vorne los, wieder einkaufen, kochen, essen. Ruhen.

 

 

Samstag, 30.7.05

Gestern um halb 5 Tour begonnen und um halb 10 wiedergekommen, es war noch so heiß, daß man es fast nicht glauben und aushalten konnte. Mit dem schweren Altherrenrad durch die Wiesen gefahren, richtige Arbeit. HArbeit als heilsamer Dienst am Leben. Gestern Abend nach dem Duschen glücklich und zufrieden auf meinem Schloßplatz gesessen. Ausgekämpft.  Könnt es doch immer so sein.

Am Deich entlang stehen breite tiefe Häuser mit Reetdächern, sehr gepflegtemakellose Nutzgärten und brave Niedersachsen, die ihren Besitz verteidigen und körperlich eigentlich ganz gut rüberkommen dabei.

Hier braucht man kein Nazi sein, hier ist man einfach ein normaler Nazi und wählt CDU oder SPD, FDP oder Gruene. Eine reine Freude da entlangzupreschen mit riesiger schwarzer Gewitterwolke dräuend über mir.

Ich mache mir Gedanken über die „Vermittlungsfrage“ – müßte man diesen Niedersachsen als „Künstler“ Rede und Antwort stehen, sollte man? Ist man ihnen was schuldig? Muß man vielleicht wenigstens versuchen, die Berufsehre zu verteidigen, bzw. zu erlangen? Oder kann man einfach die Vorhänge zuziehen und denken: mir doch egal. Aggro Berlin.AGGRO BERLIN, isch fick disch kaputt

                                                                                                                  Ich weiß es einfach nicht.

Gestern Abend bei Kerzenschein vom Kulturradio noch so gequält, das es seinesgleichen sucht. Saß da so friedlich frisch frisiert und wollte mich kulturell noch etwas bilden als  ein ca. 73stündiger, sämigst vorgetragener Huldigungsbeitrag zum „Genie“ Elias Canetti gesendet wurde, daß es einem dreifach einfach nur schlecht wurde.

Erstens durch Canetti selbst, der dem selbstzufriedenen Langeweilertum Ehre machte, dann durch den Mann, der den Beitrag so servil verfaßt hat, und drittens durch den Mann, der alles so sämig vorgetragen hat.

Was wollen diese Leute eigentlich erreichen?

erreichen?

 

Sonntag, 31.7.05

Waren gestern in einer Western-Bar, wo ich nach 3 Minuten Magenkrämpfe bekam, ehrlich. Ich hatte Angst, das endet böse.

Das Wort TIERARZTWITWE. Oder auch ATTRAKTIVE TIERARZTWITWE,

FAZ Heiratsmarkt.

 

{Bei beträchtlicher Realitätsferne, ist der „Outlaw“ natürlich auch keine Leistung mehr, sondern wahrscheinlich … krank oder so}

 

Es ist ein so schöner Tag heute, daß ich weinen möchte. Wind, heiße Sonne, reifes Korn, gestochen scharfe Wolken. Ideales FamilienaAusflugswetter. Ich fuhr raus einfach dem Fahrrad folgend

.

Fähre nach Neu-Amt (?), dann Boizenburg (DDR), sehr schön, aber wahrscheinlich auch national befreite Zone, dann Lauenburg (West), scheiße und komisch und ein wahnsinniger Gegenwind, ich kam kaum von der Stelle. Schließlich im großen Bogen zurück. Hab mir einen Wolf gefahren mit meinen 2 Gängen.

Aber das Gefühl, genau das Richtige zu tun.

Einen zerzausten dreckigen Storch gesehen, ganz nah, einen großen Hasen, Gänseschwärme, allerhand Reiher, Milane und mehrere Kleingreifvogelarten.

Gerade auch mal aufm Turm gewesen und im Laden, wo sie llig überteuerten „nature“-Tinnef verhökern. Unablässig hört man Erwachsene auf ihre Kinder einquaken mit aufgestelltem Zeigefinger: rote Liste! Und die arme Dani ist schon oftwird ständig für die Korbflechterin gehaltenn worden. Die Ausflügler, nachdem sie die langweilige Naturreservat-Ausstellung unbefriedigt verlassen haben, wollen mehr sehen für ihr Geld, schleichen herum, biegen um die Ecke, lugen ins Atelier oder kommen gleich rein und fragen: Sind Sie die Korbflechterin?

 – Nein!

Wo ist denn die Korbflechterin !?!?

 

Schade, jetzt muß ich bald gehen, die Elbtalauen verlassen.

Um 6 klingelt der Wecker, um 6.45 fährt der Bus nach Lüneburg zum Bahnhof

 

 

 

. 2.8.05

 

Liebe Gerlinde,
das Leben hier in dieser Stadt ist mir selbstverständlich, vielleicht sogar selbstverständlicher als in Köln.
Das Schönste im Leben ist eigentlich, mit dem Fahrrad rumzufahren und im freien Pensum zu arbeiten. J, jetzt war ich grade ne knappe Woche in Bleckede in einer der "Künstlerstätte am Elbschloß", wo Judith Hopf und zwei weitere Frauen ein Stipendium haben.

, damit könnte ich leben wie ein Fürst.
Die Elbtalauennatür war so schön, daß ich ganz gerührt war und mich im Gegenwind abstrampelte zwischen echten Störchen, echten Hasen, reifem Korn, scharfen Wolken und dachte: diese Anstrengung ist das Leben. mit Freude dachte ich diesen Gedanken. Ich fühl mich dann frei, kräftig und viel besser, als wenn ich mit vielen anderen trinkend irgendwo rumsitze und schwätze und das Geschwätz der anderen höre. Wie zum Beispiel gestern so ein Abend bei b_books.
Vielleicht werd ich jetzt schon wunderlich und bin am liebsten allein. Weil die andere oft n so anstrengend sind,keine Erholung sind, sondern  einemn nur ablenken und ihr Zeug eintrichtern.  wollen mit aller Macht. Und ich eben denke, je älter ich werde: ja. I am a sensitive artist. Du kennst ja das Lied, hab vergessen von wem. und Osmose heißt ja, Sie gehen dir durch die Poren in den Leib und vermehren sich dort ungestört; man hat ( leider oder nicht leider, das weiß ich nicht) keine Haut, an der vielleicht einfach das alles einfach abperlte was man nicht will.

Wir waren einmal Samstags im "Western Saloon Bleck City", weil es da in Bleckede auch nix anderes gab und ich bekam nach 3 Minuten Magenkrämpfe.  Ich dachte: paß auf, das geht nicht gut.

Der Abend war schon fortgeschritten und starr blickten die besoffenen bulligen Niedersachsen vor sich hin. Es war brutale Stimmung mit Live-Musik.

5 Westernschweine waren angeheuert und spielten technisch einwandfreie Evergreens. Betrunkene Frauen in Miniröcken führten Sextänze auf und stürzten durch den Saal. Man wußte nicht, wo man hinschauen sollte, wollte sie natürlich auch nicht unnötig fixieren. Ich dachte wirklich: draußen fangen sie uns ab und machen uns tot.
Dies aber geschah dann nicht.

 

18.30  ich hab das Gefühl ich muß mich extrem zurückhalten und "clear" werden.

Ich glaub, ich ruf  mal L. Ron Hubbard an, am besten. L. Ron Hubbard, von dem ich immer dachte, er hieße Ron L. Hubbard, schreibt ja auch nur olle, längst widerlegte Scheiße, fast so wie die ideologische Naturwissenschaft in der DDR, was ich aber echt super finde ist, daß da immer steht: der Mensch ist gut. Der Mensch ist gut. Da muß ich lachen. Es stimmt nämlich (eigentlich)!

Ich habe Knolli auch gefragt, wie es bei ihm und dem Clearing stünde, wie weit er schon gekommen sei mit L. Ron Hubbard. Er hätte es abgebrochen, aber sie hätten seine neue Adresse rausgekriegt, scheiße. ei jei jei, jetzt haste se am Hacken, sag ich und daß mir das doch wie sehr sehr oller Nillenkäse erschiene, was der liebe Ron sich da zusammenlabert. Erst wird man ordentlich an die Kandare genommen, so von wegen: ALLES GANZ GENAU LESEN! IMMER ALLES VERSTEHEN – DANN ERST WEITERLESEN!!!

und dann schlägt man nach einer Weile, wenn das Verbot eben nicht mehr wirkt und sich eine miefige Muff-Offenbarung an die andere reiht, heimlich doch ein paar Seiten weiter.

Die Scheiße bockt nicht richtig, die Scheiße ist zu schlaff.

– Genau, sagt Knolli, wir brauchen härtere Scheiße.

 

Wuppi besucht, der war nicht gut dran die letzten 2 Wochen. Er hatte sich erhofft, das neue Leben in Berlin mache alles automatisch neu. Jetzt aber habe er die Krise.

Naja, die Dauerkrise                                                                                                                                                                                                 die fast alle haben, nur manchmal zwischendurch und auch nicht selten ist man „froh“, dann wieder nicht. Und daß man zum armen Künstlerleben auch nicht wirklich eine Alternative hätte, bzw. wär was anderes wahrscheinlich ja noch schlimmer. Ein anderes armes Leben.

Es ist der schönste Beruf.

Die Tränen wärmen mich.


Der Wuppi hatte eben gedacht, er zieht um und sein Leben ändert sich über Nacht. Aber dem ist  natürlich nicht so. Jetzt häng ich halt hier rum, sagte er.

Genau. Hängt man rum, besäuft sich, stirbt. Besser als umgekehrt.

 

Das schöne Fernsehen. Gestern so gelacht und gestaunt über eine Sendung auf 3 Sat, "spurlos". wahnsinn. Dann merke ich immer, was Österreich doch für ein anderes Land ist. Ein gruseliges Land. Es geht um sehr intime Details von plötzlich Verschwundenen bis in die letzte Kimme rein. Die Angehörigen und Kollegen der Verschwundenen werden schamlos ausgefragt und geben schamlos Antwort.  Die Wohnungen gezeigt, die Schürzen der toten Mutter, die seit 3 Jahren unberührt über der Eckbank drapiert sind, all die Verstecke ...

gern wird in harmlosem Tonfall darüber spekuliert, daß die Vermißten vielleicht in "schlechte Gesellschaft" geraten sein könnten, dabei wird die ganze Zeit über kein einziger Hinweis ausgelassen, daß die Verschwundenen selbst die denkbar schlechteste Gesellschaft abgeben

 

Der Josef riet mir sehr zum Umzug. Ich sagte: och, ich hab so gesehen keinen richtigen                                                                                                                   – "Grund".

Und er: Grund! Grund! Niemand hat einen Grund!
Ich glaube, er hat Recht.

 

Wenn man die Götter verjagt, kommen die Gespenster, sagte mal einer, vielleicht Pfarrer Niemöller, Bonhoeffer oder Drewermann. Die Gespenster aber werden ausgelacht und damit ausgelöscht.

So bleibt einem nichts mehr. nur die „Realität“

Nichts anderes habe ich euch gesagt, bzw. versprochen, bzw. gehalten

 

 

                                                                                                                                                                                                                                    die Realität aber ist schön und gibt alles her