Michaela
Eichwald, Texte zur Kunst Nr. 54/2004
Die Heiligtümer der Heiden
Mit einer Szene zwischen Künstler und einem nur
lasch interessierten Galeristen, beide nackig „ausgenommen Ringe, Kreuze, Uhren
etc.“[1]
beginnt ein Text im Katalog von Matthias Schaufler, der anläßlich
der Ausstellung „Heiden“ diesen Sommer bei Brotherslasher
in Köln erschienen ist.
Der Heiden-Komplex zerfällt in drei Teile: In die
„Heidenwelt“ genannten Zeichnungen und Öl-Bilder von 2004, in „Heidenpoesie“ und „Heidenprosa“,
Kaltnadelradierungen auf Kupferdruckbütten, wobei die Abteilung Poesie aus
10x10 cm großen Muschi-Variationen besteht, die Abteilung Prosa aus mit kleinen
Strichen ausgeführten Figuren mit irgendwie überzähligen Extremitäten, die sich
eigentlich nicht selber tragen könnten. Die „Heidenwelt“-Ölbilder
sind in einer Art Pointilismus gemacht, vorwiegend
grün-gelbliche fast unverdünnte Farbe, „getupfte“ landschaftartige
Feldformen mit z.B. Krokodil oder Leguan.
Auf Stil folgt Bruch, Unlust, aber nicht doof, der
oft seinerseits sofort selber Stil wird durch bloßes Hinsehen und Mitgehen, bißchen Mitdenken, dann wieder stumpfes Gelände ... na, auch
wieder mitgehen.
Seit Jahren eine sich zugleich selbst befördernde,
wie behindernde, befeuernde, wieder ausbremsende und auflösende Ausdrucksart,
die den Dialog sucht, von Schaufler zuletzt als Negativer Impressionismus[2]
bezeichnet. Zu sehen gewesen in der großen Ausstellung „paranoisch-affirmative
Methode“ bei Hammelehle und Ahrens Ende 2003 oder in
„Tagebuch einer Frau“[3]:
Überall Eingänge drauf, Scheideneingänge in der Landschaft, man schreckt
zurück, und doch!
Die „paranoisch-affirmative Methode“ als Ausstellung
ihrerseits wiederum dreigeteilt, wie Naturwissenschaft von Fachfremden,
Erfindung eigener Systematik, Bilder, Zeichnungen, Collagen, Gedichte,
Song-Texte (Annette Peacock 1975: So Close Is Still Too Far), Titelfluten:
I. Negativer Impressionismus
"...chthonisch, fahle und angstbeladene
Unterwelt",
II. Temple
of the Golden Pavilion
"Utopie: der Welt, in der alle Menschen Mädchen wären"
III. Schwäbische Alb "Es gibt
keine Oberfläche, alles ist gleich tief“
Der Galerist lobt unterdessen den Masochismus des
Künstlers.
In der Tat: Matthias Schaufler ist, so lange ich
ihn kenne, immer extrem fleißig gewesen, eine richtige Arbeitsbiene,
wahrscheinlich aufgrund des großen Ethos bei gleichzeitigem Haß
auf den Ethos. Meist auch extrem unzufrieden aufgrund
entstandener Halbheiten, die man vor sich selbst am schlechtesten verbergen
kann. Plus vielleicht der Tatsache, daß der Wert des
Errungenen, einmal errungen, schnell unter den Händen zerfällt, verfault und
man muß schon weiter. Der typische Fall sozusagen,
extrem richtig und sympathisch.
Die Arbeit wird oft ausgeführt mit dem extra
schwergängigen und etwas umständlichen Gerät des Autodidakten im Selbstverlag,
was ich mir wirklich gerne ansehe. Alles selbst entschieden, gebaut und
erwandert, deswegen ja wirkliches Expertentum und eben die g a n z e
Wahrheit, d.h.: auch Rumpeln, Nervosität, Selbsthaß,
Geständniszwang, offene Verkorksung usw., entstanden aus der Abarbeitung an den
großen Themen der Menschheit, der Oper. Der Muschi und dem Schwanz. Aus der
Nötigung, immer neue Nullpunkte hervorbringen zu müssen.
Anatomie des Erkennens und des Nicht-Erkennens -
hoch reflexiv, hoch auf sich selbst
zurückzielend u n d auf die Höhe des Geschehens, ~ sonst wär´s ja nicht soviel wert.
I
have a long way to go, before I sleep
Philosophie, Fernseh-Horror, Rumreden, wer wo gut
war… und dabei ist ja alles wirklich einfach - -
„Es geht doch um Erkenntnis, um Wahrheit.
Also ich versuche durch meine Arbeit zu verstehen -
zu verstehen was oder wie die Anderen (und ich!) es
machen,
zu verstehen, was die Welt aktuell macht“[4]
„Sybille Rieksch: Angewohnheiten aus Ihrem Arbeitstag, die Sie
selbst in Ihrer Auszeit nicht loswerden können?
Matthias Schaufler: Alles Gesehene irgendwie in Beziehung zu meiner Vorstellung
vom richtigen Leben zu setzen.“[5]
Genau
[2] „Die Serie „Negativer
Impressionismus“ wird von düsteren, nebulösen Fomschwaden
in den Farben eines Pfauengefieders beherrscht. Innerhalb der pelzigen, lichtabsorbierenden Textur verdichten sich die Pigmente wie
zu Ausblühungen wundersamer Pilzkulturen. Keine lebensvoll-flirrenden
Sommerwiesen, sondern die magische, unergründliche Sphäre urzeitlicher und
allgewaltiger Erdgöttinnen bestimmt diese „Impression“ (…)Die Empfindung eines
„Sehkonflikts“ stellt sich ein. Erst dem tastenden, (…)Orientierung suchenden
Blick eröffnet sich (…) die Erkenntnis einer denkbar unorthodoxen Art der
Bildkonstruktion.“ Kathrin Elvers-Svamberk:
„Negativer Impressionismus“, Begleittext zur Ausstellung in der Galerie Hammelehle und Ahrens, Köln 2003
[3] Matthias Schaufler: Tagebuch einer Frau. Köln: Brotherslasher 2003
[4] Heiden, a.a.O.
[5]
http://www.haah.de/deutsch/matthias_schaufler/texte/interview.html