





Ich habe einen sehr entfernten Verwandten auf dem Lande, der hat gegen die Branntweinverordnung verstoßen. Die Polizei fand bei ihm in der Scheune über 200 Liter Schnaps, Alkoholgehalt zwischen 50 und 70 Prozent, gebrannt aus Fallobst mit selbstgebauter Apparatur. Ich wußte gar nicht, daß so ein Gesetz noch in Kraft ist. Man nimmt an, daß Nachbarn ihn verraten haben.
Ansonsten ist nicht viel los, das tut mir auch leid, ich begreife nicht mal das Fernsehen, tief verunsichert von der brutalen Mischung, die sie einem darbieten. Als hätte ich 10 Jahre kein Fernsehen gekuckt komme ich mir vor wie eine Greisin, die mit sich selbst spricht: Wer ist das denn? Ist das nicht der Stefan Mross? der ist aber groß geworden, macht der jetzt die Samstagabenduntrhaltung bei der ARD, kann nicht sein, oder? oder der Silbereisen und du erkennst ihn nicht, oder ist es Bruce Kapusta der Teufelstrompeter? Aber was redet der da?
Werbung wird auch nicht verstanden, es wird an Dinge appelliert, die ich nicht zu haben scheine, Schichten, aber vielleicht bei den Jüngeren sind diese Begehrlichkeiten vorhanden, vermutet man, denn warum solltense das sonst machen? Nicht zu beantworten. Out. Explosion der Städte, in 20 Jahren leben hier 9 Milliarden auf der Müllkippe, habe vor allem Angst, vor allen Neuerungen. Are you hot? – No. – Nein, bitte. Ich möchte nichts mehr, danke. Dann schaltet man weiter, da kommt auf einmal unvermutet Hubert Fichte und macht mir schwere Gedanken in seinem Fellmantel, nebenher fetzen sich fast jede Stunde 100 Leute weg und 100 Hundertjährige, die zum 100. Geburtstag des Adlon fein verköstigt werden, sagen, da würden sie sich aber immer gern dran erinnern! in Zukunft! und man fängt leise zu weinen an in sentimentaler Umnachtung.
Muß ich denn in Shrek 3? Ich war ja nichtmal in Shrek 1 oder 2. Ich möchte diesen Anschluß weder halten noch verlieren, noch was dagegensetzen. Nenne mir einer bitte einen untraurigen Aspekt hierinnen. Anderen gehts halt um was anderes, in welcher Farbe das I-Phone bestellt werden soll. (gibt glaub ich nur schwarze, kosten 500 oder 600 Dollar, für jeden maximal 20) Da gehts halt drum, kapiers doch mal.
Man macht so weiter bei dem, was man für die eigene Arbeit hält (Trug! Wahn! Haß! Verblödung! Verblendung! Verelendung!) und zwischendurch wird man immer mal wieder grundsätzlich und fragt: was ist das eigentlich für ein Scheiß? der da ständig gemacht wird von einem und im Nichts unbezahlt versackt? wie müßte das eigentlich gemacht werden, angesichts von allem (was man so grade noch im Gesichtsfeld halten kann)?
so mach ichs doch eh und das lallt man dann noch 100 Mal und dann ist man alt und leer und braucht nicht mehr rumlallen, bzw. natürlich: nur noch lallt. Und zwar sehr bald.
Ich war schon mal mutiger, das saß schon mal besser. Selbstbezichtigung bitte nur, wenn der Sachgehalt von Interesse ist. – Na klar!
Dann sagen die (lieben) Kollegen: Komm, das ist normal, das geht uns doch genauso. Die Freude, die Wahrheit kommt nur in der Arbeit, in der tatsächlich getätigten Durcharbeitung — das ist alles richtig — und wir wollen nur hoffen, daß wir noch lange lange hart arbeiten können und ab und zu ein kloans Göld kriegen auch einmal dafür. — Geld? Wieso? Es macht doch Spaß.
Persönlich scheitern geht vielleicht noch, als Fall aber
scheiterte ich nicht gern.
Persönlich übrigens auch nicht.
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Existentielle Physiologie
„Gut und Böse. Wirklichkeit. Gut ist, was Menschen und Dingen ein Mehr an Wirklichkeit gibt, böse, was es ihnen nimmt.“ (Cahiers I, 149) och ja, ach ja, gut und böse alles Quatsch
9.7. Wer sich zu wichtig nimmt, verkommt, hatte ich erst gelesen, statt nicht, beim Raddatz.
Der 101jährige Gadamer:
„Ich würde natürlich immer glauben, – das ist ja meine Pointe innerhalb der Entwicklung des Faches der Philosophie -, daß ich sage, – Ihr habt immer vom Sein und Heidegger usw. gesprochen -, während ich verlange: das Gespräch ist das Wesentliche. Wir haben immer zu JEMANDEM zu sprechen. Niemand spricht, der nicht zu JEMANDEM spricht. Dies kann ich aus meiner Erfahrung sagen, es ist wichtig, daß der andere sich ins Gespräch verwickelt fühlt.
Ich besuchte Heidegger wenige Tage vor seinem Tod. Nach dem Essen gingen wir in sein Zimmer. Er sagte: „Also Sie sagen, Sprache ist nur im Gespräch?“ „Ja,“ erwiderte ich. „Ja, ja.“ meinte er. Damit war unser Gespräch beendet.“

Das ganze Interview ist leider etwas öde, die Fotos aber gut und Gadamers Lehre an sich völlig unspektakulär, aber eben auch gut, uneitel, bescheiden, dabei genau. Der wollte wirklich was wissen und nicht unbedingt wirken. Er war eigentlich eine liebe Frau, konnte ausgezeichnet backen und fabelhaft zuhören. Wir hatten immer viel Freude.
Epoché